Heilig-Geist-Straße 21: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:Artur Winter in Göteborg.jpg|273x273px|thumb|links|Arthur Winter in Göteborg<ref>Das letzte Bild von Arthur Winter. 1903 in Kempen als Sohn des Viehhändlers Siegmund Winter, Josefstr. 5, geboten, studierte der junge Jude Maschinenbau. Damals noch überzeugter Marxist, wanderte er 1931 in das Gelobte Land der Werktätigen aus — in die Sowjetunion, wo er Arbeit in einer Leningrader Werft fand. Als sein deutscher Pass abgelaufen war, ging er 1937, ernüchtert von der Realität des Stalinismus, über Finnland nach Schweden, wo er sich schließlich in Göteborg niederließ. Unmittelbar nach Kriegsende zeichnete er das Leben und Sterben der Kempener Juden in Riga auf. | [[Datei:Artur Winter in Göteborg.jpg|273x273px|thumb|links|Arthur Winter in Göteborg<ref>Das letzte Bild von Arthur Winter. 1903 in Kempen als Sohn des Viehhändlers Siegmund Winter, Josefstr. 5, geboten, studierte der junge Jude Maschinenbau. Damals noch überzeugter Marxist, wanderte er 1931 in das Gelobte Land der Werktätigen aus — in die Sowjetunion, wo er Arbeit in einer Leningrader Werft fand. Als sein deutscher Pass abgelaufen war, ging er 1937, ernüchtert von der Realität des Stalinismus, über Finnland nach Schweden, wo er sich schließlich in Göteborg niederließ. Unmittelbar nach Kriegsende zeichnete er das Leben und Sterben der Kempener Juden in Riga auf. | ||
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An der Stelle der heutigen Heilig-Geist-Straße 21 war früher die Josefstraße 5. Schon Ende des 19. Jahrhunderts betrieben hier Emanuel und Sigmund Winter eine Viehhandlung.<ref>Adressbuch für den Kreis Kempen/Rhein, 1898</ref> Im Adressbuch von 1937 erscheint nur noch Sigmund.<ref>Adressbuch für den Kreis Kempen-Krefeld, 1937</ref> (geboren 22.1.1864, gestorben 11.3.1943)<ref name="Steinheim" /> "Der Viehhändler Siegmund Winter, in Kempen geborener Sohn von Sussmann Winter (Anm. d. Verf.: Im Adressbuch von 1898 steht Susmann Winter mit einem s, ebenfalls Viehhändler, Burgstr. 13) und Jenny geb. Rath, und seine Tochter, die Kolonialwarenhändlerin Carola (Karoline/Linchen), wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert. Siegmund starb 1943 in Theresienstadt, seine Tochter 1944 in Auschwitz. Sein Sohn Arthur Winter (geb. 12.1.1903) war 1931 nach Rußland emigriert und 1936 nach Schweden gezogen. Dort füllte er 1979 Gedenkblätter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem für seinen Vater und seine Schwester aus."<ref name="Steinheim" /> | An der Stelle der heutigen Heilig-Geist-Straße 21 war früher die Josefstraße 5. Schon Ende des 19. Jahrhunderts betrieben hier Emanuel und Sigmund Winter eine Viehhandlung.<ref>Adressbuch für den Kreis Kempen/Rhein, 1898</ref> Im Adressbuch von 1937 erscheint nur noch Sigmund.<ref>Adressbuch für den Kreis Kempen-Krefeld, 1937</ref> (geboren 22.1.1864, gestorben 11.3.1943)<ref name="Steinheim" /> "Der Viehhändler Siegmund Winter, in Kempen geborener Sohn von Sussmann Winter (Anm. d. Verf.: Im Adressbuch von 1898 steht Susmann Winter mit einem s, ebenfalls Viehhändler, Burgstr. 13) und Jenny geb. Rath, und seine Tochter, die Kolonialwarenhändlerin Carola (Karoline/Linchen), wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert. Siegmund starb 1943 in Theresienstadt, seine Tochter 1944 in Auschwitz. Sein Sohn Arthur Winter (geb. 12.1.1903) war 1931 nach Rußland emigriert und 1936 nach Schweden gezogen. Dort füllte er 1979 Gedenkblätter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem für seinen Vater und seine Schwester aus."<ref name="Steinheim" /> | ||
− | Kaiser | + | Hans Kaiser berichtet in seinem Buch an mehreren Stellen über Arthur Winter. Über die Geschichte des Hauses schreibt er: |
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Siegmund Winter, seit dem 25. Februar 1938 Eigentümer des Hauses Josefstraße 5 (heute Heiliggeiststraße 21); EW 7300 RM. Auch dieses Gebäude wurde seit dem Herbst 1941 als Judenhaus verwendet. Seit 1939 in Verwaltung des Finanzamts Kempen, seit dem 27. Juni 1942 im Besitz des Reiches. Während des Krieges durch einen Luftangriff zu circa 60 Prozent zerstört, um 2001 durch einen Neubau ersetzt.<ref>vgl. Kaiser, Kempen unterm Hakenkreuz, Band 2, Viersen, 2014, S. 385 </ref> | Siegmund Winter, seit dem 25. Februar 1938 Eigentümer des Hauses Josefstraße 5 (heute Heiliggeiststraße 21); EW 7300 RM. Auch dieses Gebäude wurde seit dem Herbst 1941 als Judenhaus verwendet. Seit 1939 in Verwaltung des Finanzamts Kempen, seit dem 27. Juni 1942 im Besitz des Reiches. Während des Krieges durch einen Luftangriff zu circa 60 Prozent zerstört, um 2001 durch einen Neubau ersetzt.<ref>vgl. Kaiser, Kempen unterm Hakenkreuz, Band 2, Viersen, 2014, S. 385 </ref> | ||
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Siehe auch Kaiser, Zurückgelassene Habe wurde versteigert, in [http://www.rp-online.de/nrw/staedte/kempen/zurueckgelassene-habe-wurde-versteigert-aid-1.4793576 RP-online, 13.1.2015], hier mit einem Bild von Carola Winter im Alter von 11 Jahren.<br /> | Siehe auch Kaiser, Zurückgelassene Habe wurde versteigert, in [http://www.rp-online.de/nrw/staedte/kempen/zurueckgelassene-habe-wurde-versteigert-aid-1.4793576 RP-online, 13.1.2015], hier mit einem Bild von Carola Winter im Alter von 11 Jahren.<br /> | ||
− | <br /> | + | <br />Später, etwa ab Beginn der sechziger Jahre, wohnte in dem Haus Leo Meeners mit seiner Ehefrau Petronella. Der staatl. geprüfte Musikdirektor führte in seinen Räumen eine Musikschule und gab auch privat bei den Schülern zu Hause Unterricht in Akkordeon, Klavier, Geige, Gitarre u.a. Er war nach den Erfahrungen des Verfassers dieser ergänzenden Zeile eine lärmempfindliche Person, der uns Kindern das Fußballspiel auf der Straße während seiner Mittagsruhe untersagte und kleine Bälle, die in seinem Kellerfenster verschwanden, schon mal erst am nächsten Tag zurückgab. |
+ | Bevor der Musiklehrer Meeners dort wohnte, waren nach dem Adressbuch von 1953 dort gemeldet: | ||
+ | *Ungerer Hugo, Anstreicherei | ||
+ | *Schreiber Karl, Lehrer | ||
+ | 1959 findet man dann die Einträge | ||
+ | *Meeners, Leo, Musikdirektor, staatl. anerk. Musikl. | ||
+ | *Ungerer, Hugo, Anstreicherei | ||
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+ | File:Haus_Josefstr_5_vor_Wiederaufbau_Februar_1948.jpg|Vor dem Wiederaufbau: Haus Josefstraße 5 als Ruine im Februar 1948 | ||
+ | File:Ruine_Josefstr_5_vor_Wiederaufbau_Februar_1948.jpg|...seitliche Ansicht | ||
+ | Datei:Musikschule.jpg|Erinnerungen an Auftritte der Musikschule von Leo Meeners, z.B. in der Königsburg oder im Kolpinghaus | ||
+ | Datei:Mehners-leo-elly.jpg|Leo Meeners mit Frau Petronella (Rufname "Nelly") und Hund Tiki, 1966 | ||
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Aktuelle Version vom 1. März 2025, 13:35 Uhr
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An der Stelle der heutigen Heilig-Geist-Straße 21 war früher die Josefstraße 5. Schon Ende des 19. Jahrhunderts betrieben hier Emanuel und Sigmund Winter eine Viehhandlung.[2] Im Adressbuch von 1937 erscheint nur noch Sigmund.[3] (geboren 22.1.1864, gestorben 11.3.1943)[4] "Der Viehhändler Siegmund Winter, in Kempen geborener Sohn von Sussmann Winter (Anm. d. Verf.: Im Adressbuch von 1898 steht Susmann Winter mit einem s, ebenfalls Viehhändler, Burgstr. 13) und Jenny geb. Rath, und seine Tochter, die Kolonialwarenhändlerin Carola (Karoline/Linchen), wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert. Siegmund starb 1943 in Theresienstadt, seine Tochter 1944 in Auschwitz. Sein Sohn Arthur Winter (geb. 12.1.1903) war 1931 nach Rußland emigriert und 1936 nach Schweden gezogen. Dort füllte er 1979 Gedenkblätter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem für seinen Vater und seine Schwester aus."[4]
Hans Kaiser berichtet in seinem Buch an mehreren Stellen über Arthur Winter. Über die Geschichte des Hauses schreibt er:
Siegmund Winter, seit dem 25. Februar 1938 Eigentümer des Hauses Josefstraße 5 (heute Heiliggeiststraße 21); EW 7300 RM. Auch dieses Gebäude wurde seit dem Herbst 1941 als Judenhaus verwendet. Seit 1939 in Verwaltung des Finanzamts Kempen, seit dem 27. Juni 1942 im Besitz des Reiches. Während des Krieges durch einen Luftangriff zu circa 60 Prozent zerstört, um 2001 durch einen Neubau ersetzt.[5]
Und weiter:
Von der Peterstraße 23 bringt die Polizei Isidor Hirsch, seine Frau Johanna und seine Schwester Hannchen in das Haus von Siegmund Winter und dessen Tochter Carola, Josefstraße 5 (an der Stelle des heutigen Hauses Heiliggeiststraße 21). Dahin werden nun auch Andreas Mendel, seine Ehefrau Paula und ihr Sohn Kurt aus ihrer letzten Wohnung Tiefstraße 15 gezwungen, ebenso wie Sally Servos, seine Ehefrau Nanni und ihre Tochter Bertha von der Vorster Straße 16. Was für eine Enge muss in den neuen Quartieren geherrscht haben! In dem schmalen Haus an der Schulstraße 10 leben nun acht Menschen, an der Josefstraße 5 elf. [6]
Siehe auch Kaiser, Zurückgelassene Habe wurde versteigert, in RP-online, 13.1.2015, hier mit einem Bild von Carola Winter im Alter von 11 Jahren.
Später, etwa ab Beginn der sechziger Jahre, wohnte in dem Haus Leo Meeners mit seiner Ehefrau Petronella. Der staatl. geprüfte Musikdirektor führte in seinen Räumen eine Musikschule und gab auch privat bei den Schülern zu Hause Unterricht in Akkordeon, Klavier, Geige, Gitarre u.a. Er war nach den Erfahrungen des Verfassers dieser ergänzenden Zeile eine lärmempfindliche Person, der uns Kindern das Fußballspiel auf der Straße während seiner Mittagsruhe untersagte und kleine Bälle, die in seinem Kellerfenster verschwanden, schon mal erst am nächsten Tag zurückgab.
Bevor der Musiklehrer Meeners dort wohnte, waren nach dem Adressbuch von 1953 dort gemeldet:
- Ungerer Hugo, Anstreicherei
- Schreiber Karl, Lehrer
1959 findet man dann die Einträge
- Meeners, Leo, Musikdirektor, staatl. anerk. Musikl.
- Ungerer, Hugo, Anstreicherei
Quellen:
- ↑ Das letzte Bild von Arthur Winter. 1903 in Kempen als Sohn des Viehhändlers Siegmund Winter, Josefstr. 5, geboten, studierte der junge Jude Maschinenbau. Damals noch überzeugter Marxist, wanderte er 1931 in das Gelobte Land der Werktätigen aus — in die Sowjetunion, wo er Arbeit in einer Leningrader Werft fand. Als sein deutscher Pass abgelaufen war, ging er 1937, ernüchtert von der Realität des Stalinismus, über Finnland nach Schweden, wo er sich schließlich in Göteborg niederließ. Unmittelbar nach Kriegsende zeichnete er das Leben und Sterben der Kempener Juden in Riga auf. Bild: Helga Winter, in: Kaiser, Hans, Kempen unterm Hakenkreuz, Band 2, Abb. 111 auf S. 412
- ↑ Adressbuch für den Kreis Kempen/Rhein, 1898
- ↑ Adressbuch für den Kreis Kempen-Krefeld, 1937
- ↑ 4,0 4,1
Friedhelm Weinforth: Geschichte der jüdischen Gemeinde Kempen, in: Gerhard Rehm (Redaktion): Geschichte der Juden im Kreis Viersen (Schriftenreihe des Kreises Viersen 38), Viersen 1991, S. 273-306, hier S. 301.
Dieter Hangebruch: "In der Gewalt der Gestapo. Das Schicksal der Juden des Kreises (1933 bis 1945)", in: Heimatbuch des Kreises Viersen 1979, S. 239-260, hier S. 259- Hirsch, Anna
Kempen, (Josefstr. 5) Ellenstr. 33
dep. Theresienstadt 25. 7. 1942 †- Hirsch, Isidor
Viehhandlung, Metzgerei
Kempen, (Josefstr. 5) Peterstr. 23
dep. Theresienstadt 25. 7. 1942 †- Hirsch, Johanna, geb. Kaufmann
Ehefrau des Isidor Hirsch
Kempen, (Josefstr. 5) Peterstr. 23
dep. Theresienstadt 25. 7. 1942 †- Servos, Nanny, geb. Herz
Kempen, Josefstr. 5
dep. Theresienstadt 25. 7. 1942 †- Winter, Arthur
Kempen, Josefstr.
5. 1. 1931 Rußland
von dort emigriert Schweden 1936
- Winter, Else
Kempen, Josefstr.
1937 Haft Düsseldorf
emigriert USA 1937
- Winter, Sigmund
Viehhändler
Kempen, Josefstr. 5
dep. Theresienstadt 25. 7. 1942 †
- Winter, Linchen (Karoline/ Carola)
Kolonialwaren
Kempen, Umstr. 12, Josefstr. 5
dep. Theresienstadt 25. 7. 1942 †
† April 1943 Auschwitz
- Hirsch, Anna
- ↑ vgl. Kaiser, Kempen unterm Hakenkreuz, Band 2, Viersen, 2014, S. 385
- ↑ vgl. Kaiser, Kempen unterm Hakenkreuz, Band 2, Viersen, 2014, S. 410