Ellenstraße 5: Unterschied zwischen den Versionen
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* Winter, Simon, Viehhändler</ref>. Ein Tor an der Ellenstraße führte zu den rückwärts gelegenen Stallungen. Simon Winter war ein Mann mit Bart und langer Pfeife. In den Erinnerungen von Karl Hamm wird er mit den Worten zitiert: "Ich möchte es mir auf die Stirn schreiben, dass ich ein Jude bin."<ref name=KarlHamm /> | * Winter, Simon, Viehhändler</ref>. Ein Tor an der Ellenstraße führte zu den rückwärts gelegenen Stallungen. Simon Winter war ein Mann mit Bart und langer Pfeife. In den Erinnerungen von Karl Hamm wird er mit den Worten zitiert: "Ich möchte es mir auf die Stirn schreiben, dass ich ein Jude bin."<ref name=KarlHamm /> | ||
− | Im Haus lebten die Kinder Salomon und Jettchen. Salomon, der spät noch heiratete und eine Tochter hatte, betrieb wie sein Vater Viehhandel. Jettchen führte im Haus ein Handarbeitsgeschäft. Ein weiterer Sohn von Simon Winter war Karl Winter, Rechtsanwalt in Kempen. Simons Tochter Selma heiratete 1904 Emil Winter von einem Bauernhof an der Neustraße 1. Sie war eine selbstbewusste, tatkräftigen Frau, geradezu emanzipiert für ihre Zeit.<ref name=Kaiser_MinKempe /> Eine weitere Tochter von Simon war Emilie Sara. Sie war wohl die Tochter, die laut Karl Hamm Krankenschwester in Frankfurt und aktive "Zionistin" war. Es herrschte ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Familie Winter. Bei Lebensmittel-Hamm wurde "koscher" eingekauft. Am Pascha-Fest erhielt man von Winter ungesäuertes Brot, Mazen genannt. | + | Im Haus lebten die Kinder Salomon und Jettchen. Salomon, der spät noch heiratete und eine Tochter hatte, betrieb wie sein Vater Viehhandel. Jettchen führte im Haus ein Handarbeitsgeschäft. Ein weiterer Sohn von Simon Winter war Karl Winter, Rechtsanwalt in Kempen und Vater von Mirjam Honig, der letzten noch lebenden Kempener Jüdin.<ref name=Kaiser_MinKempe /> Simons Tochter Selma heiratete 1904 Emil Winter von einem Bauernhof an der Neustraße 1. Sie war eine selbstbewusste, tatkräftigen Frau, geradezu emanzipiert für ihre Zeit.<ref name=Kaiser_MinKempe /> Eine weitere Tochter von Simon war Emilie Sara. Sie war wohl die Tochter, die laut Karl Hamm Krankenschwester in Frankfurt und aktive "Zionistin" war. Es herrschte ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Familie Winter. Bei Lebensmittel-Hamm wurde "koscher" eingekauft. Am Pascha-Fest erhielt man von Winter ungesäuertes Brot, Mazen genannt. |
Nach der Machtergreifung in Deutschland durch den Nationalsozialismus wanderte Salomon Winter mit den Töchtern Elsa, Johanna und Henriette spät, aber rechtzeitig aus, zuerst nach Amsterdam, später nach London.<ref name=KarlHamm>Aus den Erinnerungen von Karl Hamm</ref> Seine Frau Else war schon am 1. März 1933 (bei der Geburt ihrer Tochter Elsa?) verstorben. Elsa (Els'chen) Winter, am 1. März 1933 geboren, gelangte mit einem Kindertransport 1939 nach England. Sie wurde in den sechziger Jahren in Jerusalem bei einem Palästinenser-Attentat getötet."<ref name=Kaiser_MinKempe>vgl. Kaiser, Hans, http://www.min-kempe.de/spuren.html</ref> | Nach der Machtergreifung in Deutschland durch den Nationalsozialismus wanderte Salomon Winter mit den Töchtern Elsa, Johanna und Henriette spät, aber rechtzeitig aus, zuerst nach Amsterdam, später nach London.<ref name=KarlHamm>Aus den Erinnerungen von Karl Hamm</ref> Seine Frau Else war schon am 1. März 1933 (bei der Geburt ihrer Tochter Elsa?) verstorben. Elsa (Els'chen) Winter, am 1. März 1933 geboren, gelangte mit einem Kindertransport 1939 nach England. Sie wurde in den sechziger Jahren in Jerusalem bei einem Palästinenser-Attentat getötet."<ref name=Kaiser_MinKempe>vgl. Kaiser, Hans, http://www.min-kempe.de/spuren.html</ref> |
Version vom 17. Juni 2013, 19:59 Uhr
Haus Winter/Franke
In diesem Haus lebte die streng gläubige orthodox-jüdische Familie Winter. Der alte Simon Winter ist etwa 1845 geboren und war von Beruf Viehhändler[1]. Ein Tor an der Ellenstraße führte zu den rückwärts gelegenen Stallungen. Simon Winter war ein Mann mit Bart und langer Pfeife. In den Erinnerungen von Karl Hamm wird er mit den Worten zitiert: "Ich möchte es mir auf die Stirn schreiben, dass ich ein Jude bin."[2]
Im Haus lebten die Kinder Salomon und Jettchen. Salomon, der spät noch heiratete und eine Tochter hatte, betrieb wie sein Vater Viehhandel. Jettchen führte im Haus ein Handarbeitsgeschäft. Ein weiterer Sohn von Simon Winter war Karl Winter, Rechtsanwalt in Kempen und Vater von Mirjam Honig, der letzten noch lebenden Kempener Jüdin.[3] Simons Tochter Selma heiratete 1904 Emil Winter von einem Bauernhof an der Neustraße 1. Sie war eine selbstbewusste, tatkräftigen Frau, geradezu emanzipiert für ihre Zeit.[3] Eine weitere Tochter von Simon war Emilie Sara. Sie war wohl die Tochter, die laut Karl Hamm Krankenschwester in Frankfurt und aktive "Zionistin" war. Es herrschte ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Familie Winter. Bei Lebensmittel-Hamm wurde "koscher" eingekauft. Am Pascha-Fest erhielt man von Winter ungesäuertes Brot, Mazen genannt.
Nach der Machtergreifung in Deutschland durch den Nationalsozialismus wanderte Salomon Winter mit den Töchtern Elsa, Johanna und Henriette spät, aber rechtzeitig aus, zuerst nach Amsterdam, später nach London.[2] Seine Frau Else war schon am 1. März 1933 (bei der Geburt ihrer Tochter Elsa?) verstorben. Elsa (Els'chen) Winter, am 1. März 1933 geboren, gelangte mit einem Kindertransport 1939 nach England. Sie wurde in den sechziger Jahren in Jerusalem bei einem Palästinenser-Attentat getötet."[3]
1939 kauften der Malermeister Paul Franke und seine Ehefrau Agnes, geb. Schroers das Haus. Als Verkäufer sind im Kaufvertrag vom 11. Januar 1939 aufgeführt:
- a) Salomon Winter, Kempen, Ellenstraße 5
- b) Witwe Meier-Levisohn, Emilie Sara, geb. Winter
- c) Frl. Henriette Sara Winter
- d) Dr. jur. Bruno Erkes, Steuerberater, Kempen, Kustr., handelnd für Frau Emil Winter, Selma, geb. Winter und deren Ehemann, wohnhaft zu Jerusalem, Palästina VIII,
8027 Amtsgericht Kempen
Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine Erbengemeinschaft, und zwar um die Erben von Simon Winter, nämlich Salomon und drei Schwestern. Das von Karl Hamm erwähnte Jettchen dürfte Henriette gewesen sein. Salomons Schwester Selma ist offenbar schon früh nach Israel ausgewandert. Salomons Bruder, der Kempener Rechtsanwarl Karl Winter, ist nicht erwähnt.
Franke wohnten vorher in der Josefstraße 2 und zogen nun mit den Töchtern Eleonore (geb. 1932) und Waltraud (geb. 1934) zur Ellenstraße. Nachzügler Klaus-Udo folgte erst 1942 nach dem Umzug zur Ellenstraße.
Im Anbau richtete Paul Franke seine Werkstatt ein. An der Ellenstraße eröffnete er ein Farben- und Tapetengeschäft. 1946 erfolgte dann zunächst die Instandsetzung der Straßenansicht. Die Anzahl der Fenster im 1. Obergeschoss wurde dabei von vier auf drei reduziert. 1959 bauten die Eheleute Franke das Haus völlig um. Nach seinem Tod im Jahr 1967[4] übernahm Sohn Klaus-Udo das Geschäft, der noch heute mit seiner Frau Sonni im Haus wohnt. Das Ladenlokal wurde jedoch später vermietet und anderweitig genutzt.
Ca. 1970 eröffnete Jack Violonchi in dem Lokal ein Geschäft für Perserteppiche unter dem Namen Orient-Teppichhaus Frank. Bei der Namensgebung spielte sicher eine Rolle, dass man an dem Schriftzug über dem Ladenlokal nur ein "e" entfernen musste. Das Geschäft wurde als Familienbetrieb geführt. Jacks Bruder Georg (Jojo) und seine Schwester Rosmari waren ebenfalls im Geschäft tätig.
Nachdem Jack Violonchi 1980 in neue und größere Geschäftsräume am Buttermarkt gezogen war, gründete Uschi Siegers in den Räumen ihr Geschäft für Damenunterwäsche.[5] Anfang 1990 zog sie einige Häuser weiter ins Haus Ellenstraße 8. Vom Nachbarhaus Ellenstraße 6 zog dann das in das Ladenlokal im Haus Franke Frau Neikes aus Mönchengladbach mit der Firma Bimbambino, die Kindermode verkaufte. Das Geschäft wurde später an Hilde Späth übergeben. Anschließend eröffnete die Firma Glas Schmitz ein Geschäft für Glaswaren aller Art. Seit Oktober 2002 betreibt Kerstin Römer ein Schmuckgeschäft, zunächst unter dem Namen Die Schatzinsel, später unter Silberschmuck Römer.
Im Sommer 1993 wurde die Front des Hauses nochmals völlig umgestaltet und modernisiert. 2007 erhielt das Haus zudem einen neuen, erweiterten Dachstuhl und wurde neu eingedeckt.
Quellen:
- ↑ Adressbuch für den Kreis Kempen/Rhein, 1898
- Winter, Simon, Viehhändler
- ↑ 2,0 2,1 Aus den Erinnerungen von Karl Hamm
- ↑ 3,0 3,1 3,2 vgl. Kaiser, Hans, http://www.min-kempe.de/spuren.html
- ↑ Kassenbuch der Straßengemeinschaft: August 1967 Sterbefall Franke
- ↑ Anzeige WZ 20.5.1982: Siegers, Mieder- und Bademode für Mollige, vollschlank ist schön - Strandkleider, Hausanzüge
Wörtlich aus den Erinnerungen von Karl Hamm:
- In diesem Haus lebte die streng gläubige orthodox-jüdische Familie Winter. Ich sehe den alten Simon Winter mit Bart und langer Pfeife noch vor dem Haus stehen. Ein Ausspruch von Simon Winter: "Ich möchte es mir auf die Stirn schreiben, dass ich ein Jude bin."
- Im Haus lebten die Kinder Salomon und Jettchen. Salomon, der spät noch heiratete und eine Tochter hatte, betrieb Viehhandel. Ein Tor an der Ellenstraße führte zu den rückwärts gelegenen Stallungen. Jettchen führte ein Handarbeitsgeschäft.
- Es herrschte ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Familie Winter. Bei Lebensmittel-Hamm wurde "koscher" eingekauft. Am Pascha-Fest erhielt man von Winter ungesäuertes Brot, Mazen genannt. Ein weiterer Sohn von Simon Winter war Karl Winter, Rechtsanwalt in Kempen. Eine Tochter war Krankenschwester in Frankfurt und aktive "Zionistin".
- Nach der Machtergreifung in Deutschland durch den Nationalsozialismus wanderte die Familie rechtzeitig aus, zuerst nach Amsterdam, später nach London.
- Das Haus kaufte Anstreichermeister Paul Franke. Er baute das Haus völlig um. Im Anbau richtete er seine Werkstatt ein. An der Ellenstraße eröffnete er ein Farben- und Tapetengeschäft. Nach seinem Tod übernahm Sohn Klaus-Udo das Geschäft. Das Ladenlokal wurde jedoch vermietet und anderweitig genutzt.