Die Kaufmannsfamilie Herfeldt

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aus: Hermes, Jakob, Das alte Kempen, Krefeld, 1982, S. 165ff.

Die Kaufmannsfamilie Herfeldt

Mit diesem Beitrag wird eine Reihe von Untersuchungen abgeschlossen, die der Bedeutung einzelner für das kulturelle, wirtschaftliche und politische Leben Kempens bedeutsamer Bürgerfamilien nachgehen. Sicher hat nicht jedes hier festgehaltene familiengeschichtliche Datum Bedeutung für die allgemeine Geschichte der Stadt Kempen und ihres Umlandes. Die Funktion dieser Arbeiten ist jedoch darin zu sehen, daß sie einen tiefen Blick in die Soziologie einer niederrheinischen Amtsstadt zulassen. Ob es die Basels oder die Horten, die Emans oder die Mooren waren, immer liegen – und wen wundert es schon – solide wirtschaftliche Ausstattung, sei es an Liegenschaften oder Immobilien, und ein kräftiger Einfluß auf das öffentliche Leben nahe beieinander. Commercium und connubium, Geld und Partnerwahl, sind auch in Kempen einander zugeordnete Größen – die einflußreichen, wohlhabenden Familien blieben gern unter sich.

Engerstraße 48 Herfeldt 1937.png

Ferdinand Hubert Herfeldts Wiege stand in Uerdingen, wo er am 16. Mai 1776 als Sohn des Gerhard Anton Herfeldt (getauft Köln 1750, gestorben Uerdingen 3. März 1803) und der Johanna Elberskirchen (getauft Kaiserswerth 1750, gestorben Uerdingen 1795) getauft wurde[1]. Sein Vater zählte als kurkölnischer Hofrat und Rheinzollbeamter zu den angesehensten Bürgern der Stadt, wie auch seine Mutter aus dem Hause des Kaiserswerther Hofbeamten und Zolleinnehmers ebenbürtigen Standes war. Es nimmt daher nicht wunder, daß Ferdinand seine Lebensgefährtin in den ersten Kreisen der Rheinstadt suchte und fand. Es war Anna Gertrud von Broich (getauft Uerdingen 8. Mai 1778, gestorben Kempen 27. Oktober 1841), die Tochter des Kaufmanns und Bürgermeisters Hermann von Broich[2] (getauft Uerdingen 1737, gestorben Uerdingen 25. Juni 1829) und der Mühlenpächtertochter Maria Catharina Hüsgen[3] (getauft Uerdingen 1737, gestorben Uerdingen 16. Mai 1829).

Nach seiner Heirat am 27. Dezember 1803 in Uerdingen[4] muß Ferdinand nach Kempen übergesiedelt sein und sein Haus am Markt bezogen haben. Denn er erwarb das Stammhaus auf der Engerstraße Nr. 48 erst am 16. Februar 1808 durch Tausch des Hauses am Markt, worüber eine Urkunde von Notar Emans gefertigt wurde. Hinzu kaufte er am 22. März 1812 das Nebenhaus des Gottfried Mirken und vereinigte beide Häuser durch Umbau zu dem stattlichen Kaufmannshaus, wie wir es bis zu seiner Zerstörung kurz vor Kriegsende noch in Erinnerung haben[5]. Der Hinterhof bot genügend Raum zur Errichtung einer Ackerwirtschaft mit Branntweinbrennerei, die bis zum Ersten Weltkrieg beibehalten wurde.

Ferdinand und Hermann Joseph Herfeldt.png

Seine Vermögensverhältnisse erlaubten es ihm, sich gleich nach der Eheschließung an den von den Franzosen von 1804 bis 1812 ausgeschriebenen Grundstücksverkäufen mit größeren und kleineren Erwerbungen zu beteiligen und auch darüber hinaus private Kaufverträge abzuschließen[6]. Nach einem von ihm persönlich erstellten „Güterverzeichnis" umfaßten die Grundstücke eine Fläche von 102 Morgen im Gesamtwert von 8130 Klevischen Talern. Besondere Erwähnung verdient dabei der Kauf des in Schmalbroich-Wall gelegenen Fückershofes mit allen Gebäulichkeiten und Ländereien. Zum Hof gehörten neben Wohnhaus, Stallungen und Wirtschaftsgebäuden ein 1500 qm großer Hausgarten, 57 Morgen Ackerland, vier Morgen Wiese und viereinhalb Morgen Busch. Da die Abtei Kamp vor der Säkularisation die Eigentumsrechte am Hof besessen hatte[7], war er als Klostergut beschlagnahmt und zum Domänengut erklärt worden. Als Dotation fiel er dem Prinzen von Wagram zu, der ihn am 9. Mai 1812 an Ferdinand Herfeldt für 13 700 Francs verkaufte[8]. Die restlichen 36 Morgen verteilten sich auf mehrere kleine Grundstückskäufe im Werte von 9195 Francs.

Ferdinand Herfeldt nutzte aber nicht nur die Gunst der Stunde, um vornehmlich bei den Domänenverkäufen in Aachen billig und schnell zu Grundbesitz zu kommen. Auch nach 1815 ist sein unvermindertes Bemühen um Vergrößerung seines Immobilienbesitzes zu erkennen. So vermehrte er seine Liegenschaften in der Zeit von 1816 bis 1824 um weitere zwölf Morgen und ihren Wert um 2238 Klevische Taler.

Am 26. Oktober 1826 brachte er für 3731,12 Klevische Taler das St. Anna-Kloster in seinen Alleinbesitz, das fortan im Volksmund nur noch Herfeldts-Kloster genannt wurde. Ferdinand hatte schon Jahre zuvor in Gemeinschaft mit dem Schreiner und Ackerer Peter von Broich von dem Kaufmann Abraham Wischmann aus Elberfeld je zur Hälfte den Klostertrakt gekauft. Da der Kaufvertrag nur auf den Namen Peter von Broich eingetragen war, ließ sich Herfeldt auf die von ihm bezahlte Hälfte eine Sicherheit geben. Wie richtig er damit gehandelt hatte, stellte sich nachher heraus, als bekannt wurde, daß sein finanzschwacher Kaufgefährte für seinen Anteil ein Darlehen von 1500 Talern bei einem Fräulein Agnes Catharina von Sieger aus Düsseldorf aufgenommen hatte und die Gläubigerin wegen rückständiger Zinsen den Anteil von Broich kurzerhand verkaufen wollte. Um vor bösen Überraschungen geschützt zu sein, löste Herfeldt die Schuld seines Partners ein.

In diesem Zusammenhang verdient festgehalten zu werden, daß Peter von Broich auch Eigentümer des alten Schaluns- oder Christianessenhofes war, der zu der Zeit an Heitzers und Tennhoffs Garten grenzte und nach Süden zum Hessenwall auslief. Bereits am 19. Dezember 1823 hatte er den Schalunshof für 500 Reichstaler an Herfeldt hypothekarisch überschreiben lassen und durch seinen Sohn Franz endgültig am 26. Oktober 1826 an Herfeldt verkauft. Herfeldt behielt den Hof nur sieben Jahre und veräußerte ihn Oktober 1833 für 572 Reichstaler an Peter Sturm[9].

Die Gründe, die Ferdinand Herfeldt zum Kauf des St. Annaklosters bewegt haben, können wir nur ahnen, nicht belegen, da keinerlei Anhaltspunkte vorliegen. Möglicherweise beabsichtigte Herfeldt, das großflächige Grundstück gewerblich zu nutzen, wie es vor ihm schon andere, wenn auch mit wenig Erfolg, versucht hatten. Als er Alleinbesitzer geworden war und noch mehrere Textilmaschinen herrenlos im Kloster herumstanden, ließ er in der Kölnischen Zeitung Nr. 25, Jahrgang 1832, nachstehende Anzeige veröffentlichen: Am 26. Oktober 1826 kaufte ich das hiesige St. Anna-Kloster, worin sich Maschinen einer Baumwollspinnerei befinden. Da ich über diese Gegenstände bis heute keinen Eigentümer ermitteln konnte, so fordere ich denselben auf, sich zu melden, andernfalls lasse ich sie zur Entschädigung der Pacht öffentlich verkaufen. Kempen, 5. Februar 1832, Ferdinand Herfeldt.

Den östlichen Teil des Klosters bis zu der verschwundenen Kapelle erwarb um 1845 der Landwirt Franz Stieger und baute ihn zu einem Ackergut aus, dem späteren Klosterhof[10]. Im westlichen Teil wurden vorübergehend in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts Schulklassen untergebracht, dann Wohnungen eingerichtet, die noch bis 1974 benutzt wurden, ehe das Kloster im Februar 1975 endgültig der Spitzhacke zum Opfer fiel. Das St. Anna-Kloster war bis 1937 Eigentum der Familie von Monschaw als Erbgut der Enkelin Ferdinands , die mit Joseph von Monschaw verheiratet war. Danach wurde es an den Eigentümer des Klosterhofes verkauft[11].

Beim öffentlichen Verkauf des Hülserberges am 25. August 1840 ersteigerte Ferdinand Herfeldt 132 Morgen für 3705 Reichstaler. Das war bei einer Gesamtfläche von 414 Morgen, die von 32 Bewerbern 9560 Reichstaler einbrachten, ein knappes Drittel[12].

Ferdinand Herfeldt, der schon über ein ansehnliches Vermögen verfügte, war im Testament seiner am 13. Februar 1826 in Kempen verstorbenen Tante Maria Elisabeth Emans, verw. Molanus, geb. Elberskirchen , zum Alleinerben eingesetzt worden , zum Leidwesen der aus der ersten Ehe ihres am 8. Juni 1807 in Kempen verstorbenen Mannes Franz Joseph Emans stammenden Kinder, die dieser mit seiner ersten am 23. Januar 1792 in Kempen verstorbenen Frau Clementina Hyacinta Molanus gehabt hatte[13]. Beide Ehen der Tante waren kinderlos geblieben. Die zweite Ehe war auch wohl mehr aus wirtschaftlichen Beweggründen zustande gekommen, weniger aus gegenseitiger Zuneigung. Denn Franz Joseph Emans, der in den politischen Veränderungen der Franzosenzeit in Wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, bedurfte einer finanziellen Auffrischung. Sie wurde durch eine zweite Heirat, die im Mai 1802 eingegangene Verbindung mit der reichen Maria Elisabeth Elberskirchen, mühelos erreicht.

Der bekannte Augenarzt Dr. Albert Mooren aus Oedt gab zu der für die Emans-Kinder so unglücklich verlaufenen letzten Willenserklärung der Stiefmutter folgenden Kommentar: Deshalb war es für den hart geprüften Mann (Franz Joseph Emans) eine große Erleichterung, als er im Jahre 1802 mit Elisabeth von Elberskirchen eine zweite Ehe einging. Denn diese war die Besitzerin eines für die damaligen Verhältnisse unermeßlichen Vermögens von 100000 Thalern. Dieses Glück währte jedoch nicht lange. Denn bereits am 8. Juni 1807 starb er … Nach dem Tode des Vaters wurde das Verhältnis mit der Stiefmutter, das wohl nie ein herzliches war, geradezu ein kaltes. Entgegen der ursprünglichen testamentarischen Bestimmung, wonach den Kindern ein beträchtlicher Anteil des Vermögens zufallen sollte, fand sich beim Tod der Frau Emans 1826 ein anderes Testament vor, nach welchem ein entfernter Verwandter, der Bürgermeister Herfeldt zu Kempen, zum alleinigen Erben eingesetzt wurde. Die Erbschaft hat der Familie Herfeldt keinen Segen gebracht, so sagte Jubelpriester Mooren, (der bekannte Historiker und Onkel des Dr. Albert Mooren), noch einige Monate vor seinem Tode, als auf diese Sache die Rede kam. Und so war es in der Tat. Nur eine einzige Generation hindurch hat die Familie Herfeldt im vollen Genuß ihres Reichtums gelebt. Dann traten größere geschäftliche Verluste und häusliche Mißgeschicke ein, welche die soziale Stellung der Familie Herfeldt in die Reihen des Mittelstandes zurückdrängten[14].

Wenn auch der von Dr. Mooren vertretenen Ansicht eine verwandtschaftlich bedingte Parteinahme für die Emans-Kinder anhaftet –seine Großmutter war eine geborene Emans-, so hatte er im Hinblick auf die spätere Entwicklung des Herfeldtschen Familienbesitzes nicht so ganz Unrecht. 1830 baute Ferdinand neben dem häuslichen Betrieb auf der Engerstraße unter den Namen Herfeldt u. Co eine Runkelrübenzuckerfabrik an der Hülser Straße (heute Josef Pegels und Sohn) und stellte die erste Dampfmaschine in Kempen auf. Diesem Unternehmen war jedoch keine glückliche Zukunft beschieden, Weil die konservativen Bauern aus Furcht vor einem Fehlschlag zu dem notwendigen verstärkten Runkelrübenanbau nicht zu bewegen waren. Dennoch konnte sie rund 15 Jahre bestehen. Neben dieser Unternehmertätigkeit finden wir Ferdinand in den vierziger Jahren im Register der Speecerei-Waren-Händler (Lebensmittelhändler) als Ladenbesitzer verzeichnet[15]. Wann genau die Runkelrübenzucker-Produktion eingestellt worden ist, wissen wir nicht, jedenfalls genehmigt die königliche Regierung in Düsseldorf am 2. November 1850 auf dem selben Gelände die Errichtung einer Stärkefabrik, die 1870 zu einer Färbeholzmühle umgewandelt wurde[16]).

Hatte sich Ferdinand Herfeldt während der Franzosenherrschaft ausschließlich als Privatmann betätigt, so konnte er als ein mit irdischen Gütern reich gesegneter Mann in der nachfolgenden Preußenzeit, wo Grundbesitz und Vermögen entscheidende Kriterien für die Bekleidung öffentlicher Ämter waren, nicht in der Anonymitat eines stillen Privatlebens verborgen bleiben. Die französische Einteilungs- und Verwaltungsordnung vom 17. Februar 1800 hatte die bevorzugte Stellung der Städte aufgehoben und durch möglichste Gleichförmigkeit der Verwaltung den Unterschied zwischen Stadt und Land beseitigt. Nach rein geographischen und verwaltungstechnischen Gesichtspunkten wurden Land- und Stadtgemeinden vereinigt. Diese Regelung hatte die preußische Verwaltung für unseren Raum unverändert übernommen und 1822 die Samtgemeinde Kempen, bestehend aus der Stadt Kempen und der Honschaft Schmalbroich, mit einem Samtbürgermeister an der Spitze gebildet. Interimsweise verwaltete für das erste Jahr der erste Beigeordnete Matthias Goertsches aus Schmalbroich die Samtgemeinde, bis am 1. April 1823 Ferdinand Herfeldt als erster Samtbürgermeister in sein neues Amt eingeführt wurde, das er bis zum I8. Mai 1839 verwaltete[17].

Seit Bestehen des Kreises gehörte er von 1815 an als Kreisdeputierter zum Verwaltungsrat. Vorübergehend versah er auch das Amt des stellvertretenden Landrats. Ebenfalls gehörte Ferdinand zu der Abordnung. die am 15. Mai 1815 in Aachen an der Erbhuldigung der Rheinlande für den König von Preußen als den neuen Landesherrn teilnahm. Außerdem erwarb er sich große Verdienste in der Kirchen- und Armenverwaltung der Stadt. Ob seiner erfolgreichen und gewissenhaften Amtsführung genoß der vielseitige Mann höchstes Ansehen in der Bürgerschaft. Er starb am 9. Januar 1855 in Kempen[18].

Maria und Hugo Herfeldt.png

Mit seiner Frau Gertrud hatte er drei Kinder gehabt:

  1. Maria Catharina, * Kempen 9. September 1804, †Uerdingen 23. Februar 1834[19]. Sie heiratete am 6. Oktober 1830 in Kempen den Franz Carl Friedrich Mauritz aus Uerdingen[20] , starb aber schon im Alter von 29 Jahren.
  2. Hermann Joseph (siehe I.).
  3. Maria Josephine, * Kempen 7. September 1807, † Kempen 9. Februar 1878[21]. Sie schloß mit Max Anton Foerster, dem späteren Landrat des Kreises Kempen, am 3. Oktober 1833 in Kempen den Bund fürs Leben[22] und ist in der weiblichen Linie die Ur-Urgroßmutter von Bundeswirtschaftsminister a. D. Dr. Hans Friderichs.

I. Hermann, * Kempen 26.Dezember 1805 ,† Kempen 6.Januar 1873[23], wurde wie der Vater Kaufmann und übernahm die Nach- folge des für damalige Verhältnisse beachtlichen Unternehmens. Wenn er auch nicht das Format des Vaters hatte, so blieb er doch redlich bemüht, das übernommene Erbe auf dem bisherigen Stand zu halten. Auch er war kommunalpolitisch tätig und gehörte von 1850 bis wenige Tage vor seinem plötzlichen Tode dem Kempener Stadtrat an. Aus seiner am 2. Juli 1839 in Kempen mit Maria Josepha Stieger von der Neersdommer Mühle geschlossenen Ehe[24] gingen sechs Kinder hervor, wovon fünf den Vater überlebten.

  1. Marie, * Kempen 15. August 1840, † Duisburg-Ruhrort 25. November 1923[25], verehelichte sich am 1. September 1869 in Kempen mit Joseph von Monschawz[26], dem Enkel des ersten Kempener Landrats Peter von Monschaw.
  2. Ferdinand, * Kempen 3. Februar 1842, † Berlin 9. März 1869[27]. Während seines Jurastudiums in Berlin starb er an einem Herzschlag.
  3. Heinrich (siehe II.).
  4. Elisabeth, * Kempen 15 _ Dezember 1844, † Oberlahnstein 22. Dezember 1917[28] , war verheiratet mit dem Gutsbesitzer Johann Jakob Raffauf aus Wolken bei Koblenz.
  5. Gertrud, * Kempen 26. Juni 1846, † Kempen 12. Mai 1937[29], blieb ledig.
  6. Hugo, * Kempen 19. November 1847, † Kempen 28. August 1929[30]. Auch er blieb ledig. Beruflich brachte er es bis zum    Regierungsbaumeister. In die Heimat zurückgekehrt, widmete er sich kaum dem Familienunternehmen. Stadt und Kreis profitierten von seinem Rat in den verschiedenen Ausschüssen. Viele Jahre war er als erster Beigeordneter der Stadt Kempen stellvertretender Bürgermeister und vertrat als Kreisdeputíerter während des Ersten Weltkrieges und des Ruhrkampfes den Landrat. Es würde zu weit führen, alle seine Ehrenämter im öffentlichen wie im kirchlichen Leben einzeln mitzuteilen. Viele Ehrungen wurden ihm zuteil: das Eiserne Kreuz am weiß/ schwarzen Bande, der Rote Adlerorden IV. Klasse, die Rote Kreuzmedaille II. Klasse, das Verdienstkreuz für Kriegshilfe und das Goldene Kreuz Pro Ecclesia et Pontifice.

In Anerkennung seiner großen Verdienste um das Gemeinwohl faßte der Rat am 4. April 1918 den Beschluß, Hugo Herfeldt als erstem Bürger der Stadt Kempen das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Die nicht ohne Pathos abgefaßte Ehrenurkunde verdient im Wortlaut wiedergegeben zu werden: Im Einverständnis mit 'dem Bürgermeister beschließt die Stadtverordnetenversammlung einstimmig, dem I. Beigeordneten, Herrn Hugo Herfeldt, in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die Entwicklung und das Aufblühen seiner Vaterstadt und der städtischen Einrichtungen den Dank der Stadt und ihrer Vertretung sowie die Wertschätzung seiner Mitbürger dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß sie seinen Namen als leuchtendes Vorbild auch für die kommenden Geschlechter mit goldenen Buchstaben in die Annalen der Stadt Kempen eintragen läßt, indem sie dem Hochverdienten als Ersten die höchste Auszeichnung, die die Stadt geben kann, das Ehrenbürgerrecht verleiht. Ausgestattet mit glänzenden Eigenschaften des Geistes und Herzens, hat Herr Herfeldt als bester Kenner der städtischen Verhältnisse in der langen Zeitseines 70Jahre zählenden Lebens, insbesondere während der mehr als 25 jährigen Tätigkeit als Betriebsleiter des städtischen Gaswerks und der 13jährígen eıfrigen Betätigung als Stadtverordne- ter, als Mitglied der verschiedensten städtischen Kommissionen, als I. Beigeordneter und Berater des Bürgermeisters und wiederholt längere Zeit als dessen Vertreter die Geschicke der Stadt mit an erster Stelle geleitet. Ebenso als 1. Mitglied des Hospitalvorstandes, als Vorsitzender des Gemeinnützigen Vereins, des Bauvereins und des Geschichts- und Altertumvereins sowie als Wiedererbauer des Kuhtores und bei der Einrichtung des Städtischen Kramer-Museums hat Herr Herfeldt in edler, selbstloser, uneigennütziger Weise sein reiches Wissen und Können, seine unermüdliche, wertvolle Arbeitskraft stets bereitwilligst und in ausgiebigster Weise in den Dienst der Allgemeinheit gestellt und dadurch sich ganz besonders die Hochachtung und Wertschätzung seiner Mitbürger erworben. Möge dieser erste Ehrenbürger noch recht viele Jahre in körperlicher und geistiger Frische uns seine ausgezeichnete Mithilfe zum besonderen Wohle der Stadt schenken[31].

Die feierliche Übergabe des Ehrenbürgerbriefes durch Bürgermeister Dr. Joseph Kloos erfolgte in der Stadtratssitzung vom 11. November 1919[32]. Zur bleibenden Erinnerung ist nach dem letzten Krieg in einem nördlichen Neubauviertel der Stadt eine Straße nach ihm benannt worden.

II. Heinrich, * Kempen 7. August 1843, † Kempen 8. September 1904[33] , übernahm die Nachfolge in der Leitung des Familienunternehmens. Lebensfroh und aufgeschlossen brachte er neuen Schwung und Tatendrang in den leicht stagnierenden Geschäftsbetrieb. So ist seit 1880 die „Niederrheinische Dampf-Kaffee-Rösterei Ferd. Herfeldt“ nachweisbar. Er wurde Hauptträger des Unternehmens und blieb es bis zur Schließung der Firma. Neben dem Kaffee- Großhandel wurde mit Kaffee, Tee und Schokolade ein Ladengeschäft unterhalten.

Auch Heinrich stellte sich, soweit ihm die Arbeit als Unternehmer Zeit ließ, in den Dienst des Allgemeinwohls. Mehr als zwei 1 ı l « 1 4   Jahrzehnte war er erster Beigeordneter und Mitglied des Stadtrats, der Hospitalverwaltung und des Kirchenvorstandes der katholischen Pfarrgemeinde.

Ein schwerer Schlag traf ihn drei Jahre vor seinem Tode mit der Bankrotterklärung der Kempener Gewerbebank im April 1901. Ihr Geschäftsführer Josef Thoeren, der seit Gründung der Bank im Jahre 1883 das uneingeschränkte Vertrauen der Mitglieder genoß, hatte durch unsaubere Machenschaften das Unternehmen in den Ruin gewirtschaftet. 71 000 Mark Guthaben standen 705 400 Mark Schulden gegenüber[34]. Kempens Geschäftswelt war bis ins Mark getroffen. Auch Heinrich Herfeldt. Zu dem schweren finanziellen Verlust kam bei ihm noch der seelische Schock, daß der Aufsichts- rat, dessen Vorsitzender er war, wegen allzu lascher Geschäftsauf- sicht zur Verantwortung gezogen werden sollte. Diese Enttäuschung untergrub vollends den in den letzten Jahren angegriffenen Gesundheitszustand des ehrenwerten Mannes und führte zu einer Gehirnlähmung mit Todesfolge im Alter von 61 Jahren. Aus seiner mit Josephine Erckens (* Mönchengladbach 5. April 1855, † Kempen 24. Juni 1941) am 12. Oktober 1878 geschlossenen Ehe gingen sechs Kinder hervor, wovon eins im Kindesalter starb[35].

Josefine und Hermann Herfeldt.png
  1. Josefine, * Kempen 17. August 1879, † Kempen 16. April 1954[36]. Sie blieb unverehelicht und hatte zeitlebens eine offene Hand für Arme und Notleidende. Sichtbare Anerkennung ihres karitativen Wirkens im Dienste der Kirche war die Verleihung des päpstlichen Ordens Pro Ecclesia et Pontifice.
  2. Hermann (siehe III.[37].
  3. Elisabeth, * Kempen 4. Juli 1884, heiratete am 6. Juni 1910 den chemischen Direktor bei I. G. Farben in Den Haag (Holland), Dr. Adalbert Zilg, der dort am 12. August 1939 verstorben ist[38]. Ihren Lebensabend verbringt die betagte Witwe bei ihrer Tochter in Arnheim (Holland).
  4. Adele, * Kempen 17. Dezember 1887, † Neuß 6. November 1954[39], ging am 15. Juli 1912 in Kempen mit dem bereits am 25. Oktober 1918 verstorbenen Dr. Peter Werhahn[40] die Ehe ein[41] und fand durch diese Verbindung Eingang in die bekannte Neußer Großkaufmannsfamilie. Sie baute in den dreißiger Jahren die Villa am Donkwall/Ecke Rabenstraße, die von ihrer Schwester Josefine bis zu deren Tod bewohnt wurde.
  5. Ferdinand, * Kempen 1. März 1892, † Köln 17. Juni 1951[42], ging in die Verwaltung, promovierte zum Dr. jur. und wurde Oberregierungsrat bei der Regierung in Köln. Er ging am 14. Juli 1925 in Kempen mit Wilhelma Weyland die Ehe ein[43] und hatte mit ihr einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn Egon, Ministerialdirigent und Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft im Bundesministerium des Innern in Bonn, wohnt in Sankt Augustin bei Siegburg. Er und sein Sohn Eldach sind die letzten Namensträger der Kempener Herfeldt-Linie.


III. Für Hermann Joseph Friedrich Herfeldt, * Kempen 5. September 1880, † Siegburg 3. Dezember 1960[44], der nach dem plötzlichen Tode des Vaters mit 24 Jahren in die Verantwortung gerufen mirde, war nach den schweren Verlusten aus dem Ruin der Kempener Gewerbebank zunächst eine sparsame und zielstrebige Wirtschaftsführung oberstes Gebot, weshalb er sich ausschließlich dem Betrieb widmete. Um dem Unternehmen mit der Zeit wieder eine gesunde Basis zu verschaffen, berief er mit Wimmar Billstein (* Köln 13. August 1868, † Kempen 2. Februar 1942)[45] einen erfahrenen Teilhaber in die Geschäftsleitung[46] und stellte mit dessen Hilfe die Firma wieder auf ein festes Fundament. Allerdings waren beide zu stark in der konservativen Geschäftsauffassung vergangener Tage verwurzelt, um der überalteten Firma durch eine geschickte Anpassung an die neuzeitlichen Anforderungen wieder neuen Schwung und Glanz zu verleihen. Überdies brachten der Erste und Zweite Weltkrieg ernsthafte Schwierigkeiten. Hatte bislang die Produktion mit einem reichhaltigen Sortiment an Kaffeesorten aus Costarica, Guatemala, Venezuela und Java für einen gewinnträchtigen Geschäftsablauf genügt, so reichten jetzt die knappen Zuteilungen an Rohkaffee aus Übersee zur Existenzsicherung nicht mehr aus. Deshalb mußte der Betrieb, der Not gehorchend, auf das Brennen von Malz- und Kornkaffee erweitert werden; und mit Bohnen- und Mischkaffee, Malz- und Kornkaffee wurde ein Umsatz erwirtschaftet, der den Bestand der Firma bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sicherstellte.

Die Einschränkungen brachten es mit sich, daß das Haus auf der Engerstraße nach dem Tode der älteren Familienmitglieder von der Erbengemeinschaft Herfeldt am 11. November 1937 an die Stadt vermietet wurde, die bis zum 30. Juni 1938 die Kreisverwaltung der Deutschen Arbeitsfront Viersen dort ihre Geschäftsstelle einrichten ließ. Vom 1. Juli 1938 bis zur Zerstörung des Hauses am 2. März 1945 zog die Stadt selbst mit ihrer eigenen Verwaltung in das geräumige Kaufmannshaus[47]. Hermann Herfeldt hatte sich mit seinem Betrieb in die Hofräume zurückgezogen. Nach seiner Heirat mit Paula Bommers am 17. Mai 1909 in St. Tönis[48] hatte Hermann auf Honnekeshof in Unterweiden, dem Elternhaus seiner Frau, Wohnung bezogen und blieb dort bis zur Fertigstellung der inzwischen abgerissenen Villa am Donkring anfangs der zwanziger Jahre.

Für einen Neubeginn nach dem letzten Krieg fühlte sich Hermann mit 65 Jahren zu alt, zumal er keine männlichen Nachfolger hatte und sein langjähriger Teilhaber Wimmar Billstein drei Jahre vor Kriegsende gestorben war. Deshalb verkaufte er die Firma gleich nach Kriegsende an den damaligen Besitzer der Holzmühle bei Süchteln[49] und wenige Jahre später im Auftrag der Erbengemeinschaft Herfeldt am 27. Mai 1949 das Trümmergrundstück an der Engerstraße mit Hofplatz und Zubehör an die Firma Jakob Averbrock, Kempen[50]. Er selbst blieb noch einige Zeit in Kempen und siedelte in den fünfziger Jahren nach Verkauf seiner Villa nach Siegburg in die Nähe seiner dort verheirateten einzigen Tochter. Dort ist er am 3. Dezember 1960 gestorben.


Quellen:

  1. Stadtarchiv Kempen (= StaK), Stammtafel Herfeldt, danach soweit nicht anders angegeben
  2. Guido Rotthoff, Urkundenbuch der Stadt und des Amtes Uerdingen, Krefeld 1968, Nr. 1373 und 1477
  3. ebenda, Nr. 1320 und 1353
  4. Personenstandsregister = PSR Uerdingen, Heiraten = H
  5. StaK, Güterverzeichnis Herfeldt,
  6. StaK, Vente de Domairıes Natio- naux: Novembre 5 1806. Actes de Vente: Decembre 20 1805 et Juin 9 1812
  7. StaK, Brief Lacomblet vom 14. No- vember 1837 arı Max Anton F oerster
  8. StaK, Principaut Wagram: Contrat de Vente de la ferme „Fuckershof“ au profit de Ferdinand Herfeldt de Kempen
  9. wie 5)
  10. Gottfried Klinkenberg: Kempener Klöster, Heimatbuch 1955, Kreis Kempen-Krefeld, Seite 55
  11. Freundliche Mitteilung des Pastors Hubert von Monschaw, Hülm bei Goch
  12. StaK, Akt Nr. 129 Stadt Kempen: Verkauf des Hülserberges vom 25. August 1840
  13. Josef Lichtenberg: Die Síppen Mooren, Emans, Molanus, Neimans in Kempen, Heimatbuch 1970, Kreis Kempen-Krefeld, Seite 244 ff.
  14. StaK, Familienpapiere von Monschaw
  15. Adreßbuch des Kreises Kempen, Kempen 1845, Seite 65
  16. StaK, Akt Nr. 992 Stadt Kempen: Ältere nicht mehr in Betrieb befindliche gewerbliche Anlagen und Dampfkessel
  17. Gerhard Terwelp: Die Stadt Kempen im Rheinlande, 1. Teil, Kempen, 1894, Seite 91
  18. PSR Kempen, Sterberegister = St
  19. PSR Uerdingen, St
  20. PSR Kempen, H und Rotthoff, Nr. 1487
  21. ebenda, St
  22. ebenda, H
  23. ebenda, St
  24. ebenda, H
  25. PSR Duisburg, St
  26. PSR Kempen, H
  27. StaK, Totenzettelsammlung
  28. PSR Oberlahnstein, St
  29. PSR Kempen, St
  30. ebenda, St
  31. StaK, Ratsprotokoll vom 4. April 1918
  32. ebenda, Ratsprotokoll vom 11. No- vember 1919
  33. PSR Kempen, St
  34. Kempener Kreisblatt Nr. 18 vom 4. 01.05.1901
  35. StaK, Totenzettelsammlung
  36. PSR Kempen, St
  37. ebenda, H
  38. StaK, Totenzettelsammlung
  39. PSR Neuss, St
  40. StaK, Totenzettelsammlung
  41. PSR Kempen, H
  42. PSR Köln, St
  43. PSR Kempen, H
  44. PSR Siegburg, St
  45. PSR Kempen, St
  46. Adreßbuch für den Kreis Kempen, Seite 26, Kempen 1912
  47. StaK, Ratsprotokolle vom 11. November 1937, 26. April und 2. Juni 1938
  48. PSR St. Tönis, H
  49. Freundliche Mitteilung von Herrn Egon Herfeldt, St. Augustin
  50. Notarielle Verkaufsurkunde Herfeldt/Averbrock im Besitz der Fa. Jakob Averbrock, Kempen 1, Engerstraße