Ellenstraße 28

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Ellenstraße 28 und 29, 2013

Kaplanei

"1662 wurde das Gymnasium gestiftet von den Eheleuten Joh. Henr. Scheut, Gerichtsschreiber, Anna Porten und Christian Hoff, Gertrud Düngels. Der erste Regent Henr. Reck baute die alte Burs und legte auch die zwey Vicarien-Häuser auf der Ellenstraße an, die zu einem Annunciaten-Kloster bestimmt waren."[1] Die sog. Reck'schen Häuser[2] wurden als Kaplaneien genutzt, also als Wohn- und Diensthäuser der Kaplane der Propsteipfarre. "Der .. erste Rektor" des humanistischen Gymnasiums, "Vikar Heinrich Reck, bewerkstelligte" auch "den Ausbau des Schulunterrichtes und die Errichtung des noch heute stehenden Gebäudes, der Burse, die 1668 fertiggestellt war."[3]

Die Kaplanei ist aus dem Leben der Ellenstraße nicht wegzudenken. Mit Eltern oder Haushälterin wohnten hier viele Kapläne der Pfarre, so zum Beispiel in den Kriegsjahren Kaplan Siepen (siehe unten!), der die Kirchenchronik schrieb und so vieles aus dieser Zeit dokumentierte. Kaplan Geulen, der jung verstorbene Kaplan Karl Arden (verst. 4.4.1942), Rektor Theodor Wassenberg (verst. 8.8.1964) , Kaplan Karl Jankowsky (verst. 27.8.1989), Herr Hennekamp, Kaplan Tibio (verst. 11.4.1973), Kaplan Heinrichs und in den 60er Jahren Kaplan Karl Wilhelm Koerschgens (verst. 3.7.2015) sind Persönlichkeiten, die das kirchliche Leben in Kempen prägten.[4]


Später wohnte hier viele Jahre Familie Buse. Frau Buse starb im März 2008.



Einträge in alten Adressbüchern

1898

  • Limberg, Peter, Kaplan
Ellenstraße 28 und 29, 2013

1912

  • Benedick, Franz, Kaplan

1925

  • Janßen, Jos., Kaplan

1930/31

  • Diepers, Theodor, Kaplan[5]

1937

  • Geulen, Jakob, Kaplan


Kaplan Siepens Kriegschronik[6]
(Quelle: min-kempe.de)

Ergiebiger als die damaligen Aufzeichnungen der Stadtverwaltung sind die der katholischen Kirchengemeinde. Am 16. Oktober 1939 hatte das bischöfliche Generalvikariat in Aachen seine Pfarreien angewiesen, Kriegschroniken zu führen. (6)

In Kempen wurde der jüngste Kaplan damit beauftragt: Paul Siepen, der seit 1935 Kaplan in Kempen war und später - von 1952 bis 1977 - Pfarrer in Willich. (7)

Der junge Geistliche nahm seinen Auftrag genau und hängte der Aufführung bemerkenswerter Ereignisse in seiner Kirchengemeinde ein Verzeichnis der Gemeindemitglieder an, die durch den Krieg zu Tode gekommenen waren: Insgesamt 451 Namen. Wenn also Angehörige eines Gefallenen zum Propst Wilhelm Oehmen kamen, ihm eine schriftliche Benachrichtigung zeigten – etwa den Brief des Kompaniechefs – in der ihnen der Tod des Vaters, Bruders oder Sohnes mitgeteilt worden war und um eine Totenmesse baten, schickte Oehmen sie nach der Festlegung des Messe-Termins zu Siepen, damit dieser den Namen des Gefallenen mit Todesdatum und -ort, aber auch die Umstände des Todes in seiner Chronik verzeichnete. Das verleiht der Siepenschen Totenliste eine seltene Intensität.

Denn während die Sterbeurkunden des Standesamtes als Todesursache nur Leerformeln aufführen wie Gefallen auf dem Felde der Ehre oder Seiner Verwundung erlegen, wird der Leser in Siepens Verzeichnis immer wieder mit konkreten Aussagen zu Sterben und Leiden konfrontiert. „Am 2. Februar 1943 gefangen genommen in Stalingrad“, vermerkt der Kaplan zum Schicksal des 22 Jahre alten Gefreiten Hans Günter Steckelbroeck, Am Gymnasium 25, und setzt hinzu: „14 Tage später zu Dubowka verhungert, dort beigesetzt.“ Dagegen ist der Gefreite Michael Joseph Werkes, Klixdorf 38, am 23. März 1943 in Russland mit einer Bauchschussverletzung qualvoll während des Krankentransportes verstorben und in Nowo Lissino 50 km südöstlich Leningrad beerdigt worden. - Zwei Beispiele von vielen. Da versteht man schon eher, was „Krieg“ bedeutet. Ebenso anrührend wirken die Briefe, die der Chronist hier und da im Wortlaut in seine Aufzeichnungen einfügt - wie die Mitteilung, mit dem der Kempener Familie Hermes ihr Sohn Willy als vermisst gemeldet wird. Der Feldwebel Willy Hermes war Pilot eines Jagdflugzeugs Me 109. Bei einem Luftkampf am 30. September 1940 östlich von Portland haben die Kameraden ihn aus den Augen verloren. Am 5. Oktober erhält seine Familie die Mitteilung des Staffelkapitäns, dass er vermisst sei. Wie in solchen Situationen üblich, versucht der Briefeschreiber, der Oberleutnant Siegfried Bethke, den Hinterbliebenen Mut zu machen: Hermes’ Maschine habe sicherlich nur einen Motorschaden erlitten, möglicherweise sei sie ja auch von einem Engländer beschädigt worden, auf jeden Fall habe er über sicherem Land mit dem Fallschirm aussteigen oder notlanden können. (8) Aber Willy Hermes kommt nicht zurück.



Quellen

  1. Hubert de Schollen, Ueber die Entstehung der Stadt Kempen, nebst einer kleinen Local-Chronik und einigen Nachrichten über merkwürdige Personen und die Umgegend. Historischer Versuch. Seinen lieben Mitbürgern und allen braven Nachbarn gewidmet von Hubert ter Schollen, Köln, 1822
  2. Landschaftsverband Rheinland, Inventare nicht staatlicher Archive, Nr. 37, Inventar der ältesten Akten des Propsteiarchivs Kempen, S. 157

    dort auch auf S. 147:
    Zuweisung eines in der Ellenstraße gelegenen Hauses aus dem Nachlaß des Pfarrers (!) Heinrich Reck an die Vikarien St. Salvator und St. Bernhard resp. Überweisung an die Vikare Peter Gehnen und Bartholomäus Wilmius von 1684, ausgefertigt o. D. (18. Jh.) (fol. 8-9),

  3. Landschaftsverband Rheinland, Inventare nicht staatlicher Archive, Nr. 37, Inventar der ältesten Akten des Propsteiarchivs Kempen, S. 37
  4. Sterbedaten aus "Direktorium des Bistums Aachen für das Jahr 2021 mit den Namen der verstorbenen Bischöfe, Priester und Diakone des Bistums Aachen seit dem 1. September 1930 bis zum 31. August 2020 und besonderen Totengedenktagen, Aachen, 2020
  5. Diepers, Theodor, Pfarrer, *10.2.1892 Priesterweihe 29.5.1915 +10.9.1971 (Daten vom Grabstein am Hochkreuz auf dem Neuen Friedhof)
  6. Kaiser, Hans, Über das Gedenken an die Kempener Opfer des Zweiten Weltkrieges, zitiert aus min-kempe.de, Erstveröffentlichung: Heimatbuch Kreis Viersen 63/2012, S. 215 - 248