Am Bahnhof
Heute heißt die Straße zwischen der St. Huberter Straße und der Ecke Kurfürstenstraße Am Bahnhof. Wahrscheinlich bis zur kommunalen Neugliederung, als Doppelbezeichnungen in Kempen, Hüls, Tönisberg und St. Hubert bereinigt wurden, hieß die Straße wie auch das erste Stück der St. Huberter Straße Bahnstraße, und der Bereich zwischen Thomasstraße und Kurfürstenstraße parallel zu dieser Bahnstraße hieß Bahnhofsplatz.
Der Bereich gehörte um die Wende zum 19. Jahrhundert nicht der Stadt Kempen, sondern der Staatseisenbahn, was Ausbau und Verwaltung erheblich erschwerte. Im Verwaltungsbericht der Stadt Kempen für die Jahre 1898 bis 1909 von Bürgermeister Lück werden die Zusammenhänge und die Entwicklungen ausgiebig dargestellt. Siehe unten!
Straßen der Kgl. Preuß. Staatseisenbahnverwaltung
Im Eigentume der Staatseisenbahn stehen folgende Straßen:
- die Bahnparallelstraße, das ist jene Straße, welche entlang dem Bahnkörper die Bahnstraße mit der Thomasstraße verbindet;
- der Bahnhofsvorplatz, das ist der Platz vor dem Empfangsgebäude, eine Verlängerung der Parallelstraße Nr. 1;
- das Stück der Kurfürstenstraße von der Kleinbahnstraße bis zum Bahnhofsvorplatz Nr. 2;
- der am Stationsgebäude der Crefelder Eisenbahn vorbeiführende Zufuhrweg zum Güterbahnhofe.
Bezgl. des Charakters und Zustandes pp. der einzelnen Straßen wird angeführt:
1. die Bahnparallelstraße ist ein öffentlicher, 16 m breiter Weg, welcher, wenn er auch nur für das Bahnpersonal ober ein sonstiges Interesse bei Erbauung der Bahn im Jahre 1864 von der Eisenbahn angelegt sein mag, eine Verbindung herstellt zwischen zwei dem öffentlichen Verkehre dienenden Straßen, der Bahn- und Thomasstraße bzw. dem Bahnhofsvorplatz. Als solcher ist er nicht als ein zu den übrigen Bahnanlagen gehörender Bestandteil zu betrachten. Er dient nicht dem Interesse, welchem die Bahnanlagen selbst dienen, er stellt vielmehr eine Verbindung der Bahnanlagen mit den städtischen Anlagen her und vermittelt den Verkehr zwischen Bahn und Stadt. Stets hat die Eisenbahn den Verkehr auf fraglichem Wege geduldet und in keiner Weise zu erkennen gegeben, daß er der öffentlichen Benutzung nicht dienen soll. Erst im Jahre1905 ließ die Verwaltung am Ein- und Ausgange der Straße durch Anbringung von Tafeln den Weg als "Privatweg" bezeichnen. Der am 30. Dezember 1905 an sie ergangenen Aufforderung zur Beseitigung der Tafeln gab sie bis jetzt keine Folge. Zur Begründung ihres die Entfernung der Tafeln ablehnenden Standpunktes führte sie mittels Schriftsatzes vom 9. Februar 1906 aus, daß sie die Öffentlichkeit des Weges nicht anerkennen könne. Der Weg sei auf dem Grund und Boden der Eisenbahnverwaltung angelegt und nur dazu bestimmt, dem Verkehr von und nach dem Bahnhof zu dienen, Sie könnte nicht darin einwilligen, daß der Weg auch für einen andern Verkehr als den von und nach dem Bahnhofe in Anspruch genommen werde. Die Verwaltung sei jedoch geneigt, den Weg für den öffentlichen Verkehr freizugeben, und vorbehaltlich der Zustimmung des Herrn Ministers der Stadt das Eigentum zu übertragen, sofern die Stadt Kempen bereit sei, die Unterhaltung und Beleuchtung zu übernehmen.
Berichterstatter vertrat dieser Ansicht der Eisenbahn gegenüber den Standpunkt, daß der Weg öffentlichen Charakter habe und für den öffentlichen Verkehr unentbehrlich sei. Die Tatsache, daß Grund und Boden Eigentum der kgl. Eisenbahnverwaltung sei, schließe dessen Öffentlichkeit nicht aus. Von einer Übernahme städtischerseits könne erst dann die Rede sein, wenn derselbe vorher dem ordnungsmäßigen Zustande der städtischen Straßen entsprechend befestigt und ausgebaut, b. h. mit Steinpflaster, Rinne und Bürgersteig versehen werde.
Die Entwässerung der Bahnparallelstraße erfolgt durch beiderseits angelegte Rinnen. An derselben befinden sich zwei Wohngebäude des Wirtes Jakob Wefers. Diesem resp. seinem Vorgänger ist eisen- bahnseitig gestattet worden, die beiden Häuser an der fraglichen Straße zu erbauen unter Benutzung des Bahngeländes als Bürgersteig, nicht aber das Spülwasser aus den Küchen pp. in die Wegerinne zu leiten. Trotzdem werden sämtliche Abwässer in die Rinne geleitet und bilden hier mangels Abflusses einen unerträglichen Zustand. Zur Beseitigung dieses Mißstandes ist am 25. September 1907 dem p. Wefers die widerrufliche Genehmigung gegeben worden, seine Grundstücke an den städtischen Kanal in der Bahnstraße anzuschließen. Die Ausführung des Kanalanschlusses ist bis jetzt unterblieben, da eine Einigung zwischen Wefers und der Bahnverwaltung nicht zustande gekommen ist. Mit allen Mitteln wird dahin gestrebt werden, daß endlich der polizeiwidrige Zustand verschwindet.
2. Der Bahnhofsvorplatz ist zwar Eigentum der Staatsbahnverwaltung, aber ohne Zweifel dem öffentlichen Verkehre dienend. Die Unterhaltung des Plates ist Aufgabe der Eigentümerin.
3. Das Stück der Kurfürstenstraße von Kleinbahnstraße bis Bahnhofsvorplatz ist ebenfalls Eigentum der Bahn, hat jedoch öffentlichen Charakter.
Über die Entstehung dieses Weges wird folgendes angeführt: Im Jahre 1899 erbaute die Eisenbahn an dem fraglichen, damals noch nicht ausgebauten Wegestücke ein Beamtenwohnhaus. Hier- durch wurde sie zur Zahlung von Straßenbaukosten und unentgeltlichen Abgabe des Grund und Bodens ortsstatutarisch verpflichtet. Nach Fertigstellung des Ausbaues der Kurfürstenstraße bis einschl. Beamtenwohnhaus war noch eine Verbindung zum Bahnhofsvorplatze zu schaffen. Dieses Wegestück herzugeben hatte die Eisenbahn feine Verpflichtung. Um aber eine direkte Verbindung mit Bahnhofsvorplatz und weiter: Thomasstraße bezw. Bahnparallel- und Bahnstraße von Kurfürsten- und Kleinbahnstraße her unter allen Umständen herzustellen, wurde unterm 6. bezw. 12. Mai 1903 mit der Kgl. Eisenbahndirektion zu Köln ein Vertrag folgenden Inhaltes errichtet:
Die Eisenbahnverwaltung hat an die Stadt aus Anlaß der Errichtung des Beamtenwohnhauses für Ausbau des angrenzenden Teiles der Kurfürstenstraße und des Verbindungsstückes an Straßen- bau- und für 4jährige Unterhaltungskosten Mt. 1354,25 zu zahlen und das zum Ausbau der Kurfürstenstraße nach dem städtischen Bebauungsplane erforderliche eisenbahnfiskalische Gelände unentgeltlich gegen jederzeitigen Widerruf zu überlassen, indes bleibt das Gelände in der ganzen Straßenbreite Eigentum des Eisenbahnfiskus. Zur Anerkennung der Widerruflichkeit hat die Stadtgemeinde Kempen am 1. Juni jeden Jahres, beginnend mit dem 1. Juni 1903 eine Anerkennungsgebühr von Mk. 1,-- an die Stationskasse Kempen zu zahlen. Die Eisenbahnverwaltung gestattet, daß die Kurfürstenstraße bis zur Einmündung in den Bahnhofsvorplatz durchgeführt werde, mit der Maßgabe jedoch, daß der Fußgängerverkehr zwischen der Straße und dem Bahnhofs vorplane bis auf weiteres unbehindert, der Fuhrwerksverkehr da gegen nur insoweit stattfinden darf, als er sich vom oder zum Empfangsgebäude bewegt. Ein Fuhrwerksverkehr von oder nach der Kurfürstenstraße, der den Bahnhofsvorplatz nur durchfahrend passiert, ist polizeilich zu untersagen. Die Eisenbahnverwaltung hat sich dieselbe Einschränkung auch für den Fußgängerverkehr vor behalten.
4. Die Zufuhrstraße zum Güterbahnhof ist zwar Eigentum der Staatsbahn, bildet aber auch den Zugang zum Bahnhofe der Crefelder Eisenbahn.
Im Interesse des öffentlichen Verkehrs, der Gesundheit und der öffentlichen Wohlfahrtspflege ist die Staatseisenbahnverwaltung des öftern ersucht worden, folgende Arbeiten ausführen zu lassen:
1. den Bahnhofsvorplatz und die Bahnparallelstraße bis zur Bahnstraße mit Steinpflaster, Rinnen und Bürgersteigen zu versehen,
2. für ausreichende Beleuchtung auf dieser Straße zu sorgen,
3. einen gepflasterten Zugangsweg von Thomasstraße bis Bahnhofsgebäude herstellen zu lassen,
4. für die nötige Entwässerung zu sorgen,
5. den tiefen Schmutzgraben am Zufuhrweg zum Güterbahnhofe zu beseitigen.
Die Eisenbahnverwaltung hat sich bis jetzt nur dazu verstanden, einen ca. 2 m breiten Weg von Thomasstraße bis Empfangsgebäude aus Pflastersteinen ausführen und den Graben am Zufuhrweg zuwerfen zu lassen. Es wurde ihr zur ordnungsmäßigen Entwässerung am 5. September 1905 die widerrufliche Erlaubnis erteilt, das Bahnhofsgelände mit einem Anschluß an den Kanal der Thomasstraße und mit 2 Anschlüssen an den Kanal der St. Huberterstraße anzuschließen. Bon diesen Anschlüssen ist aber nur der an der Thomasstraße und einer der St. Huberterstraße ausgeführt; ferner hat sie im Jahre 1904 die Genehmigung zum Anschlusse an den Kanal der Kurfürstenstraße erhalten, der zur Entwässerung der Beamtenwohnungen daselbst dient.[1]
Passt hier eigentlich nicht hin, dennoch: Hinter dem Bahnübergang zwischen Bahnhof und Arnold war wohl mal eine Tivoli-Gastwirtschaft Reese:
Quellen:
- ↑ Bürgermeister Lück, Stadt Kempen - Rhein, Verwaltungsbericht für die Jahre 1898–1909, Kempen, 1909, S. 229ff.