Burgstraße 15
Dies ist die Adresse des alten Kempener Hohenzollernbades, das in den siebziger Jahren im Zuge der Stadtsanierung abgerissen wurde. Vor seinem Bau stand hier die Turnhalle des Lehrerseminars, die zugunsten der neuen "Badeanstalt" abgerissen wurde.
In der Beilage zum Stadtorientierungsplan von 1971 findet man das Bad noch unter dieser Adresse, gleichzeitig aber auch schon das "Neue Stadtbad" an der Berliner Allee.[1] Abgerissen wurde das Gebäude 1974.[2]
Dieter Persson beschreibt seine Sicht der Badeanstalt sehr anschaulich in seinem Büchlein über Kempen um 1960[3]:
Auf der Burgstraße, mittig im Straßenzug gelegen, befindet sich unsere Badeanstalt. Ein sehr imposantes Gebäude aus wilhelminischen Zeiten. Für uns Kinder ein Magnet und immer gut für Treffs, auch für heimliche mit der Verehrten. Wenn man sich ihr nähert, nimmt man heftiges Treiben schon akustisch wahr. Unentwegt pendeln die mit gespritztem Glas versehenen Pendeltüren. Die Vorhalle, ganz gefliest, zum Vorderaufgang mit Sandsteinsäulen versehen, gibt sich wie der Eingang zu einem römischen Tempel. Seitlich sind die Eingänge zu den Wannenbädern. Links vor der Treppe das in der Wand aus Holz gefertigte halbrunde Kassenhäuschen. Darin zwischen Kartenblöcken und Badezusätzen thront Herr Jammers, der Kassierer. Ein Duft! Vornehmlich Fichtennadeln strömen beim Bezahlen aus der Kassenklappe entgegen ... Links im Vorraum geht es durch eine weitere Tür zu den Wasseraufbereitern, Wärmeaustauschern und Kesselanlagen. Das ist da Refugium von Herrn Ziınmermann, dem Heizer. Überall in den unteren Räumen laufen isolierte und mit Gips ummantelte dicke Rohre, die an Decken und Wänden angeflanscht sind, versehen mit Schiebern, Reglern und Uhren. lm hinteren Teil befinden sich die stockwerkhohen Kessel mit Geländern, halbhoch im Keller versenkt.
...Ich hastete dann den Aufgang zur Schwimmhalle hinauf, wo ich Herrn Stinkes, den Bademeister traf, der am vorderen Staket des Beckens die Aufsicht führte. Alles hatte er im Griff, auch wenn er sich unterhielt, seine Augen glitten unruhig auf die Badenden und springenden Gäste. Ja, sogar bis zum Löwenkopf an der Nichtschwimmerecke wurden seine fingerzeigenden Anweisungen befolgt. Wehe nicht! Dann sprang er auf, eilte nach hinten, um kurze Instruktionen zu geben, schon fast autoritär, wie er wirkte, im weißen Anzug. Aber das täuschte, denn zugetan war er uns.
Aber auch das ehemalig repräsentante, und bei den Kempenern äußerst beliebte Hohenzollernbad musste weichen, um bei der Stadtkernsanierung Platz für die Anlage der Orsaystraße zu schaffen. Die Errichtung eines städtischen Hallenbades wurde 1906 vom Stadtrat "zur bleibenden Erinnerung an den heutigen Jubeltag, die Silberhochzeit des Kaiserpaares, und als Denkmal echten Bürgersinns und unverbrüchlicher Treue zum Hohenzollern-Herrscherhaus" vorgeschlagen und 1914 von dem Bauunternehmen Gottfried Pegels erbaut. Im Adressbuch von 1912 finden wir den Eintrag: "Städtische Badeanstalt. Hohenzollernbad. Der Bau des Volksbades mit Schwimmhalle ist für die nächste Zeit in Aussicht genommen."
Im Verwaltungsbericht der Stadt Kempen für die Jahre 1998 bis 1909 findet man zum Bau des Schwimmbades folgenden Bericht:
Städtische Badeanstalt
Zur Ehrung des Festtages der Silberhochzeit des deutschen Kaiserpaares war die Stadtverordnetenversammlung im festlich geschmückten Rathaussaale am 27. Februar 1906 versammelt und faßte einstimmig folgenden Beschluß:
Zur bleibenden Erinnerung an den heutigen Jubeltag und als Denkmal echten Bürgerssinnes und unverbrüchlicher Treue zum Hohenzollern-Herrscherhause soll in der Stadt Kempen unter dem Namen Hohenzollernbad eine Badeanstalt errichtet werden, welche jedweder Klasse der Bevölkerung ausreichende Badegelegenheit bieten soll. Zu diesem Zwecke wird ein Kapital von 10000 Mt. als Grundstock festgelegt mit dem Wunsche, daß dieses Kapital recht bald nicht nur durch städtische Mittel sondern auch durch private Wohltätigkeit zu einer Höhe anwachse, die es ermöglicht, das heute begonnene gute Werk recht bald zu vollenden."
Mit einem dreifachen Hoch auf das geliebte Jubelpaar schloß alsdann der Vorsitzende die Versammlung. Die Hoffnung auf Zuwendungen von privater Seite ist bisher leider unerfüllt geblieben. Das Verständnis für die fortschrittlichen Forderungen der Gegenwart, welche infolge der Zeit der Zeit unserer Großväter auf allen Gebieten eingetretenen Veränderungen im öffentlichen und privaten Leben eine besondere Fürsorge für die körperliche Entwicklung und die Gesundheit der Einwohnerschaft namentlich der Jugend gebieterisch erheischt, scheint die einzelnen Gesellschaftsschichten noch nicht gang durchdrungen zu haben. Hoffentlich wird die Stadtvertretung sich der Einsicht nicht verschließen, daß die Wohltat eines Volksbades der Bürgerschaft je eher je besser geboten werden muß. In kaum einer anderen Stadt sind die in Betracht kommenden Verhältnisse jo zwingende wie hier, wo weder fließendes noch stehendes Wasser Gelegenheit zum Bade bietet, wo die vielen Lehranstalten mit ihrer großen Zahl von Schülern und Schülerinnen sowie die Arbeiterschaft eine starke, auf die Rentabilität günstig wirkende Inanspruchnahme einer öffentlichen Badeanstalt gewährleisten, wo der sonst im äußeren Bilde der Stadt sich überall geltend machende Sinn der Bürgerschaft für Reinlichkeit und Frische auf ein allgemeines Bedürfnis nach säubernden und erfrischenden Bädern schließen läßt, und wo andererseits sein Denkmal, seine freiwillige städtische Einrichtung bisher dem patriotisch-nationalen Empfinden der Bürgerschaft einen würdigen äußeren Ausdruck verleiht. Hierzu wird das Hohenzollern Bad am besten geeignet sein.[4]
Neben städtischen Mitteln sorgten dann die Arnold-Stiftung und ungenannte Wohltäter für die finanziellen Grundlagen. Erst 1918 konnte der imposante Bau, der seinem Anlass entsprechend den Namen "Hohenzollernbad" erhielt, seiner Bestimmung übergeben werden.
Neben dem Schwimmbecken von 9 x 20 Metern Größe für sportliche Aktivitäten, erfüllten Brause-, Wannen-, Schul- und Volksbäder in einer Stadt, deren Häuser den damals geringen Standard in Sanitäranlagen aufwiesen, über viele Jahre auch hygienische Funktionen. Das Hohenzollernbad zählte anfangs zu den modernsten seiner Art.
(Quelle: Heimat- & Geschichtsverein)
Ergänzend sei an der Stelle berichtet, dass am Kopfende des Beckens im Bereich der Nichtschwimmer ein steinerner Löwenkopf auf das Wasser schaute (siehe Bild unten mit der Mädchengruppe). Ob den bei den Abbrucharbeiten jemand gerettet hat? Hinter dem Nichtschwimmerbereich waren die Duschen. Rechts und links des Beckens befanden sich Umkleidekabinen, die mit Vorhängen verschlossen werden konnten. Dort durften sich aber nur die Erwachsenen umziehen. Kinder und Jugendliche mussten nach oben auf die Empore, wo rundum unter den Fenstern eine Bank angebracht war, auf der man seine Sachen meist liegen lassen konnte.
In der Eingangshalle gab es zumindest Ende der sechziger Jahre einen bunt leuchtenden Automaten, an dem für wenige Groschen eine kleine Eintrittsmarke ziehen konnte. Fast bis zum Schluss gab es vorne am Becken ein 1-Meter- und ein 3-Meter-Sprungbrett. Das 3-Meter-Brett war aber meist gesperrt, weil es wegen der zu geringen Tiefe des Beckens zu schweren Unfällen gekommen war. Auf der Innenaufnahme des Bades von 1971 ist es nicht mehr zu sehen. Offenbar wurde es also sogar irgendwann abgebaut.
Um die Mitte der 1960er Jahren (evtl. auch bereits vorher, lt. Adressbucheintragungen) hatte das gegenüberliegende Haus, neben dem ehem. Haus Ledschbor, ebenfalls die Hausnummer 15. Zusammen mit der damaligen Nr. 16 wurde es Mitte der 1970er Jahre abgerissen zugunsten der Erweiterungsstraße (Verlängerung der neuen Orsaystraße) Im Anschluss war die heute noch bestehende Buchhandlung Wissink mit der damaligen Nr. 17. Siehe Fotoausschnitt links von 1965
Adressbuch Kempen 1898:
- Hutz Franz, Schneider, Burgstr. 15
- Busch Joh. Heinr., Schuhmacher, Burgstr. 16
Adressbuch Kempen 1937:
- Hutz Anna, Näherin, Burgstr. 15
- für die Hausnummer 16 gibt es keinen Eintrag
1959
Burgstr. 15
- Drahten, Erich, Stahlarb.
- Gabler, Herta, o. B.
- Nötzold, Eberh., Landarb.
Burgstr. 16
- Weiss, Friedr., Gußputzer
Bildergalerie:
- ↑ Beilage zum Stadtorientierungsplan, Hrsg.: Städt. Verkehrsamt Kempen, Stand 1. Januar 1971
- ↑ Die Abbruch-Touristen, Rheinische Post, 10. März 2012
- ↑ Persson, Dieter, Kempen - Ein Kind erzählt Ende fünfziger/Anfang sechziger Jahre, 1991
- ↑ Lück (Hrsg.), Verwaltungsbericht der Stadt Kempen für die Jahre 1998 bis 1909, S. 106f.
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