Ellenstraße 1

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Ellenstraße 1, 2013


Ellenstraße 1, 2013

Haus Schassan

Im Adressbuch von 1879 erscheint unter der Kempener Hausnummer 3 Raves, Paul, Bäcker, Colonial- und Spezereiwaaren-Handlung.[1] Das heutige Haus Markt 5 hatte damals die Hausnummer 1, insofern wird die heutige Ellenstraße 1 zwei Häuser daneben sicher die Hausnummer 3 gehabt haben. Seltsamerweise erschien der Eintrag "Raves, W., Bäcker, Wirth u. Kleinhdlr." 1861 noch unter der Nummer 4.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts war im Haus Ellenstraße 1 dann die Schenkwirtschaft Josef Claßen. Paul Raves wohnte offenbar noch im Haus. Auch er erscheint noch im Adressbuch von 1898, und zwar mit der Berufsbezeichnung Geschäftsführer.[1]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war im Haus die stadtbekannte, angesehene Gastwirtschaft Schassan. Der ledige Martin Schassan, der die Gastwirtschaft wahrscheinlich von Claßen übernommen hatte, zapfte Bier, und seine ledige Schwester Trina bediente Gäste. Bauern, die zum Kirchbesuch oder zur Erledigung von Geschäften in die Stadt fuhren, tranken dort ihr Bier und ihren Schnaps. Vereine hielten Versammlungen ab. Beim Schützenfest hielten König und Gefolge, Berittene und Musikkapellen vor dem Haus an und bekamen einen Schnaps kredenzt. Martin Schassan ist im Zweiten Weltkrieg gefallen.[2] Trina starb im Februar 1964.[3]

Schassan wohnten im zweiten Stock. Direkt über der Gastwirtschaft wohnte der Schneidermeister Johann Holtsteger. Er hatte dort auch schon vor dem Krieg eine Maßschneiderei. Später wohnte im Haus sein Sohn Werner Holtsteger. Er zog mit seiner Familie in den sechziger Jahren zur Engerstraße. Eine Tochter aus dem Haus Schassan heiratete Matthias Knabben. Sie wohnte nach dem Tod ihres Mannes und nach dem Umzug von Werner Holtsteger (bis wann)[4] wieder im Elternhaus, das ihr Sohn Matthias geerbt hatte.

Pächter der Gastwirtschaft war nach dem Krieg bis 1972 Jakob Bruckes mit seiner Frau Kathi (geb. 20.9.1911).[5] Sie führten die Gastwirtschaft im alten Sinne und waren sehr beliebte Wirtsleute. Auch die Straßengemeinschaft Ellenstraße und das Martinskommitee tagten regelmäßig bei Schassan und Bruckes. Kathi arbeitete nach dem Tod ihres Mannes noch bis 1976 stundenweise im Lebensmittelgeschäft von Hamm. Sie wohnte zuletzt auf dem Möhlenwall, immer noch nahe der Ellenstraße. Sie verstarb am 27.11.2001[6].

Branko 1995.png

Nachdem Bruckes sich zur Ruhe setzten, eröffnete Anfang 1973 der Kroate Branko Opacak (Bild links, 1995) zusammen mit seiner Lebensgefährtin Ana in dem Haus das Speiselokal "Dalmacija" mit jugoslawischer Küche.[5] Für die Gäste hieß er immer nur Branko. Zeitweise betrieb vorrangig Ana im linken Teil des Erdgeschosses seit Ende 1978 einige Jahre zusätzlich eine Imbissstube ("Steakstube").[7] Schon vor der Übernahme der Gasstätte im Haus Ellenstraße 1 hatten Branko und Ana für sieben Monate eine Imbissstube im Haus Markt 5 (ehemals Biefang), die aber nach einem technischen Defekt vollständig ausbrannte. Ana und Branko hatte es durch Zufall nach Kempen verschlagen. Irgendwann in Kempen angekommen hatten sie entschieden: "Hier lassen wir uns nieder."

Marianne Stein und Nachbar Fritz Hegger vermutlich in den sechziger Jahren vor der alten Gaststätte Schasan/Bruckes
Fritz Hegger von der Ellenstraße 34 vermutlich in den sechziger Jahren vor der alten Gaststätte Schasan/Bruckes

Branko hat das Haus 1986 von Matthias Knabben gekauft und nach dem Tod von Frau Knabben 2007 das Hotel Alt-Kempen eröffnet. Zeitweise betrieb er darüber hinaus ein Reisebüro für Reisen nach Kroatien. Das Speiserestaurant hat er mit Eröffnung des Hotels vermietet. Dort kann man heute unter dem Namen Rodizio Sol Brazil brasilianisch essen mit Fleisch bis zum Abwinken. Das Hotel betreibt heute Anas Sohn Anton. Branko und Ana verbrachten regelmäßig wieder einige Monate im Jahr in ihrem wunderschönen Anwesen in Makarskar in Kroatien. Dort produzierte Branko auch seinen eigenen Wein. In den neunziger Jahren hat er neben seiner Tätigkeit in Kempen in seiner Heimat Jura studiert. Branco Opacak (geb. 20.08.1948, späteres Portraitbild siehe hier) starb am 22. Januar 2018 nach längerer Krankheit. Er wurde in seiner Heimat in Kroatien beigesetzt.


Haus Ellenstraße 1 in der Denkmalliste


Einträge in alten Adressbüchern

1879

  • Raves, Paul, Bäcker, Colonial- und Spezereiwaaren-Handlung, Kempen, Haus-Nr. 3

1898

  • Claßen, Jos., Conditorei, Wirth und Schweineh. , Schweinehändler, wie Claßen, Mathias, Kuhstr. 13
  • Raves, Paul, Geschäftsführer

1912

  • Claßen, Jos., Wwe., Bäckerei, Konditorei und Gastwirtschaft, (im Gewerbeverzeichnis mit zwei s geschrieben)

1925

  • Schaßan, Kath., Wirtin u. Galanteriegeschäft

1930/31

  • Schaßan, Martin, Wirt

1937

  • Holtsteger, Johann, Schneiderei
  • Schassan, Martin, Wirtschaft

1959

  • Bruckes, Jakob, Gaststätte, F. 2195
  • Schassan, Kath., o. B.
  • Backes, Matth., Appreteur

Quellen

  1. 1,0 1,1 Einträge in alten Adressbüchern
  2. aus den Erinnerungen von Karl Hamm
  3. Aus Unterlagen der Straßengemeinschaft: 17.2.64 Kranz Schassan
  4. Aus Unterlagen der Straßengemeinschaft: 11.5.77 Kaffee für Frau Knabben (85 Jahre)
  5. 5,0 5,1 nach Angaben von Ana Opacak; nach Unterlagen der Straßengemeinschaft war im Juli 1961 und auch noch am 26.7.1972 der Annakaffee bei Bruckes.
  6. Unterlagen der Straßengemeinschaft Ellenstraße
  7. Aus Unterlagen der Straßengemeinschaft: Im Dezember 1978 gab es Würstchen "aus der neuen Steakstube von Branko".



Wörtlich aus den Erinnerungen von Karl Hamm

In diesem Haus war in meiner Jugend eine stadtbekannte, angesehene Gastwirtschaft. Der ledige Martin Schassan zapfte Bier und seine ledige Schwester Trina bediente Gäste. Bauern, die zum Kirchbesuch oder zur Erledigung von Geschäften in die Stadt fuhren, tranken dort ihr Bier und ihren Schnaps. Vereine hielten Versammlungen ab. Beim Schützenfest hielten König und Gefolge, Berittene und Musikkapellen vor dem Haus an und bekamen einen Schnaps kredenzt.
Martin ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Eine Tochter aus dem Haus Schassan heiratete Matthias Knabben. Sie wohnte nach dem Tod ihren Mannes wieder im Elternhaus, das ihr Sohn Matthias geerbt hatte.
Pächter der Gastwirtschaft war nach dem Krieg Jakob Bruckes mit seiner Frau Kathi. Sie führten die Gastwirtschaft im alten Sinne und waren sehr beliebte Wirtsleute. Auch die Straßengemeinschaft Ellenstraße tagte bei Schassan und Bruckes.
Nachdem Bruckes sich zur Ruhe setzten, eröffnete ein Jugoslawe in dem Haus ein Speiselokal "Dalmacija". Der Name des Wirtes war Branco Opacak; für die Gäste hieß er immer nur "Branco". Er hat inzwischen das Haus käuflich erworben.



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