Wiesenstraße 2

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Villa Zours, Wiesenstraße 2

Villa Zours

Die alte herrschaftliche Villa wurde 1912 gebaut. Das Haus wurde am 25. Mai 1993 in die Denkmalliste der Stadt Kempen eingetragen.

In der Denkmalbeschreibung heißt es:

Bereits 1906 wurde auf dem Grundstück das Betriebsgebäude mit einem Lagerhaus errichtet. Dieses war ein teilunterkellerter, massiver Bau mit Sheddach. 1912 wurde im Vordergrund des Grundstücks das Wohnhaus errichtet. Das Gebäude ist zweigeschossig, in 4 Achsen und mit ausgebautem verschiefertem Mansarddach mit 3 geschwungenen Dachgauben erbaut. Die Fassadengestaltung ist auffallend, mit einem interessanten Spannungsverhältnis zwischen der Symmetrischen Ornamentgestaltung und der asymetrischen Gliederung, die dadurch zustande kommt, dass der Vorbau rechts aus der Mitte verschoben ist. Es handelt sich bei diesem Objekt um die einzige Villa mit Neo-Rokoko-Formen in Kempen. Die betonte Achse ist breiter und von Lisenen begrenzt. Die Kranz- und Girlandenornamentik des Fassadenschmucks ist auffallend und die betonte Achse wird mit einem Segmentgiebel abgeschlossen. Im Traufbereich befindet sich ein von Konsolen getragenes Gesims. Der Fassadenzustand ist mittel. Das Gebäude wird incl. der schmiedeeisernen Einfriedung als Denkmal in die Denkmalliste eingetragen.[1]

Das Haus gehörte der bekannten Familie Zours. Erstmals erscheint der Name im Adressbuch von 1925, dort unter der Adresse Wiesenfelderstraße 2 mit dem Eintrag Zours, Wilhelm, Kaufmann, Tel. 81. Auch 1930/31 erscheint der gleichlautende Eintrag. 1937 zeigt das Adressbuch des Kreises Viersen unter dieser Adresse zusätzlich den Kaufmann Wilhelm Zours jr.

1912, als das Haus auf der Wiesenstraße noch gar nicht gebaut war, erscheint der Name Wilhelm Zours unter der Adresse Peterstraße 22a gegenüber der früheren Gärtnerei Thiemann, also gegenüber vom Peterturm im heutigen Grüngürtel[2], und zwar ebenfalls mit der Telefonnummer 81. Wilhelm Zours zog also von der Peterstraße in den Neubau an der Wiesenstraße. Gemäß Adressbuch war Wilhelm Zours in der Peterstraße Inhaber der Hosenträgerfabrik Rheinland und der Firma Diedrich Grote Nachf.[3], die man im Internet ebenfalls als Hosenträgerfabrik[4], aber auch allgemein als Gummiwarenfabrik[5] findet. Im Adressbuch von 1879 steht Wilh. Zours mit der Adresse Kempen 569 unter Manufacturwaarenhandlungen. Wilhelms Enkel Erich Bacher fasste die Geschichte der Fa. grotena, wie sie abgekürzt hieß, in einem kleinen Aufsatz zusammen, der unten auf dieser Seite zitiert ist.

Nach dem Krieg wohnten im Erdgeschoss der Villa Heinrich Bacher (1903-1987) und seine Frau Hermine Bacher, geb. Zours. die 2007 im hohen Alter von 99 Jahren verstarb (1908-2007)[6]. Heinrich führte die Brauerei und den Getränkevertrieb Bacher in Meerbusch-Osterath, woher er auch stammte und wo auch heute sein mittlerer Sohn Erich wieder lebt. Ein paar schöne Bilder zur Brauerei Bacher findet man im "Historischen Brauereiverzeichnis Deutschland".

Im Obergeschoss der Wiesenstraße 2 wohnte auch noch lange Hermines Schwester ... mit ihrer Familie. Insofern stand auf der Klingel noch lange der Name Müller. Später wohnte im Haus auch Heinrichs und Hermines jüngster Sohn Ernst Bacher (*29.1.1948 †2.10.2019) mit seiner Frau Kirsten. Ernst, ebenfalls ein bekannter Kempener, starb 2019 mit 71 Jahren.

Mehr zur Villa Zours steht wohl auch im Heimatbuch des Kreises Viersen, 2004, S. 265.[7]


Auf dem Gelände vor der Villa Zours gegenüber dem Amtsgericht, wohl dort wo heute das Möbelhaus Renkes steht, waren wohl ab 1937 zwei Baracken des Reichsarbeitsdienstes, und zwar auf dem Gelände des ehemaligen Rüttenschen Gartens.[8]

Im Frühjahr 1937 ist der in Kempen stationierte Gruppenstab des Arbeitsdienstes auf etwa 100 Personen angewachsen. Die bisherigen Gebäude reichen nicht mehr aus. Damit der kaufkräftige Stab im Ort bleiben und zu seinem Renommee beitragen kann, übernimmt die Stadt Kempen die Errichtung zweier Baracken auf dem Gelände des früheren Rüttenschen Gartens an der Horst-Wessel-Straße (heute wieder: Wiesenstraße) gegenüber vom Amtsgericht und verpachtet sie anschließend samt Grundstück an den RAD. Am 18. Oktober 1937 werden sie bezogen.[9] Im Oktober 1941 wurden die Baracken aber wohl schon wieder abgerissen.[10]


Dr. Erich Bacher, der Sohn von Hermine und Heinrich Bacher, fasst die Geschichte der Fa. Dietrich Grote Nachfolger wie folgt zusammen:

Zur Geschichte der Firma —Diedrich Grote Nachfolger" in Kempen

Die Firma „Diedrich Grote Nachf." wurde ca. 1865 als Leibbinden- und Bandagenfabrlk in Wuppertal- Barmen gegründet. Der aus Kempen stammende Kaufmann Wilhelm Zours sr. (1875-1938) — mein Großvater erwarb diese Firma ca. im Jahre und führte sie zunächst am Standort Barmen fort. Einige Jahre später verlegte er den Betrieb in seine Heimatstadt Kempen und errichtete dazu an der Wiesenstraße neue Fabrikgebäude und auch das Wohnhaus Wiesenstraße 2. Neben medizinischen Leibbinden und Bandagen befasste man sich auch mit der Herstellung von Kompressionsstrümpfen, die alle unter der Marke „GROTENA" über Sanitätshäuser vermarktet wurden.

Nach dem Tod von Wilhelm Zours sr. übernahm sein Sohn Wilhelm Zours jr. (1903-1973) die Firma, baute sie aus und entwickelte sie weiter fort.

Im zweiten Weltkrieg wurde das Fabrikgebäude von Bomben beschädigt, konnte aber nach dem Krieg alsbald wieder — größtenteils unter Verwendung der alten Klinkersteine — aufgebaut werden. Da die während der Kriegsjahre nach Thüringen ausgelagerten Maschinen zügig wieder nach Kempen verbracht werden konnten, lief der Betrieb mit fast ausschließlich weiblichen Mitarbeiterinnen sehr schnell wieder an» Zu Spitzenzeiten wurden bis zu 100 Mitarbeiterinnen — überwiegend Näherinnen und Strickerinnen — beschäftigt. Später erfolgte dann auch der Anbau des neuen Fabrikteils, der bis an den Peschweg reicht. In Dreisel im Rhein-Siegkreis und in Frankenberg (Eder) wurden weitere Produktionsstätten unterhalten bzw. erworben.

Der Tod von Wilhelm Zours jr., eines in Kempen vielseitig engagierten und angesehenen Bürgers, der u.a. im Schützenwesen und als Protektor des Kempener Männer-Gesangvereins, aber auch in der FDP aktiv war, hinterließ in der Firma „Diedrich Grote Nachf." eine große Lücke. Seine Ehefrau Margarete Zours (1912-2002) war in Kempen ebenfalls politisch aktiv, u.a. vie}e Jahre als Bürgermeisterin. Da die beiden Töchter für eine Unternehmensnachfoige nicht zur Verfügung standen, entschloss man sich, das Unternehmen an den Bauerfeind aus Darmstadt zu verkaufen, mit dem man zuvor bereits auf Teilgebieten hatte.

Auch das Wohnhaus Wiesenstraße 2, in dem bis zu ihrem Tod im Jahre 2007 die Schwester von Wilhelm Zours jr„ meine Mutter Hermine Bacher, geb. Zours lebte, wurde im Jahre an die Familie Bauerfeind verkauft.



Quellen:

  1. Denkmale in der Stadt Kempen
  2. Mitteilung von Dr. Erich Bacher, 29.8.2024
  3. Einwohnerverzeichnis der Kreisstadt Kempen, 1912, S. 53, dort wohl fälschlicherweise Dietrich mit t
  4. z. B. im Findbuch Kempen
  5. Germes-Dohmen, Ina, Das Werk der Eisenmöbelfabrik L. & C. Arnold in Kempen, in: Heimatbuch des Kreises Viersen, 2001, S. 175
  6. Grabstein auf dem alten Friedhof in Kempen
  7. Register Heimatbuch Kreis Viersen
  8. so auch mündlich überliefert von Karl-Heinz Hermans im Januar 2022
  9. Kaiser, Hans, Kempen unterm Hakenkreuz, Band 1, Vieresen, 2013, S. 392
  10. vgl. ebenda