Engerstraße 48
Das ehemalige Haus Herfeldt
Das Haus Engerstraße 48 ist eng verknüpft mit dem Namen Herfeldt. Ferdinand Herfeld (dort ohne t) erscheint schon im Adressbuch von 1829 mit dem Eintrag Colonialw.handlung auf der Engelstraße (sic!).
Jakob Hermes widmete der Kaufmannsfamilie Herfeldt einen langen Aufsatz in seinem Buch "Das alte Kempen" von 1982.
Vor 1812 waren hier zwei Häuser, die von Ferdinand Herfeldt zu einem stattlichen Kaufmannshaus vereinigt wurden. Vor der Nummerierung der Kempener Häuser nach Straßen hatte das Haus die Nummer 490.
"Ferdinand Hubert Herfeldts Wiege stand in Uerdingen, wo er am 16. Mai 1776 als Sohn des Gerhard Anton Herfeldt[1] und der Johanna Elberskirchen getauft wurde. Sein Vater zählte als kurkölnischer Hofrat und Rheinzollbeamter zu den angesehensten Bürgern der Stadt, wie auch seine Mutter aus dem Hause des Kaiserswerther Hofbeamten und Zolleinnehmers ebenbürtigen Standes war. Es nimmt daher nicht wunder, daß Ferdinand seine Lebensgefährtin in den ersten Kreisen der Rheinstadt suchte und fand. Es war Anna Gertrud von Broich, die Tochter des Kaufmanns und Bürgermeisters Hermann von Broich und der Mühlenpächtertochter Maria Catharina Hüsgen.
Nach seiner Heirat am 27. Dezember 1803 in Uerdingen muß Ferdinand nach Kempen übergesiedelt sein und sein Haus am Markt bezogen haben. Denn er erwarb das Stammhaus auf der Engerstraße Nr. 48 erst am 16. Februar 1808 durch Tausch des Hauses am Markt, worüber eine Urkunde von Notar Emans gefertigt wurde. Hinzu kaufte er am 22. März 1812 das Nebenhaus des Gottfried Mirken und vereinigte beide Häuser durch Umbau zu dem stattlichen Kaufmannshaus ... Der Hinterhof bot genügend Raum zur Errichtung einer Ackerwirtschaft mit Branntweinbrennerei, die bis zum Ersten Weltkrieg beibehalten wurde." Später wohnte hier dann auch sein Enkel Hugo Herfeldt, dem am 4. April 1918 von Bürgermeister Dr. Joseph Kloos die Ehrenbürgerschaft der Stadt Kempen zuteil wurde und nach dem im Kempener Norden eine Straße benannt ist. Stadt und Kreis profitierten von seinem Rat in den verschiedenen Ausschüssen. Viele Jahre war er als erster Beigeordneter der Stadt Kempen stellvertretender Bürgermeister und vertrat als Kreisdeputíerter während des Ersten Weltkrieges und des Ruhrkampfes den Landrat.[2]
Nach dem Tode der älteren Familienmitglieder wurde das Haus von der Erbengemeinschaft Herfeldt am 11. November 1937 an die Stadt vermietet, die bis zum 30. Juni 1938 die Kreisverwaltung der Deutschen Arbeitsfront Viersen dort ihre Geschäftsstelle einrichten ließ. Vom 1. Juli 1938 bis zur Zerstörung des Hauses am 2. März 1945 zog die Stadt selbst mit ihrer eigenen Verwaltung in das geräumige Kaufmannshaus. Neben der Amtsverwaltung zog 1938 auch die Polizeiwache in das Gebäude ein. Als Kempen, Schmalbroich und St. Hubert 1936 zum „Amt Kempen“ zusammengeschlossen worden sind, platzte das alte Rathaus am Markt aus allen Nähten. Der Inhaber der Firma Herfeldt, Hermann Herfeldt, hatte sich mit seinem Betrieb in die Hofräume zurückgezogen. Mit dem Brennen von Malz- und Kornkaffee und mit Bohnen- und Mischkaffee, Malz- und Kornkaffee wurde ein Umsatz erwirtschaftet, der den Bestand der Firma bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sicherstellte. Nach seiner Heirat mit Paula Bommers am 17. Mai 1909 in St. Tönis hatte Hermann auf Honnekeshof in Unterweiden, dem Elternhaus seiner Frau, Wohnung bezogen und blieb dort bis zur Fertigstellung der inzwischen abgerissenen Villa am Donkring 36 anfangs der zwanziger Jahre.
Für einen Neubeginn nach dem letzten Krieg fühlte sich Hermann mit 65 Jahren zu alt, zumal er keine männlichen Nachfolger hatte und sein langjähriger Teilhaber Wimmar Billstein drei Jahre vor Kriegsende gestorben war. Deshalb verkaufte er die Firma gleich nach Kriegsende an den damaligen Besitzer der Holzmühle bei Süchteln und wenige Jahre später im Auftrag der Erbengemeinschaft Herfeldt am 27. Mai 1949 das Trümmergrundstück an der Engerstraße mit Hofplatz und Zubehör an die Firma Jakob Averbrock, Kempen. Er selbst blieb noch einige Zeit in Kempen und siedelte in den fünfziger Jahren nach Verkauf seiner Villa nach Siegburg in die Nähe seiner dort verheirateten einzigen Tochter. Dort ist er am 3. Dezember 1960 gestorben.[2]
Bekannte Bewohnerin des Hauses war auch Hermanns Schwester Josefine (* Kempen 17. August 1879, † Kempen 16. April 1954). Sie blieb unverehelicht und hatte zeitlebens eine offene Hand für Arme und Notleidende.[2] Josefine Herfeldt war Mitglied mehrerer sozialer Frauenvereine, darunter 40 Jahre Pflegerin im St.-Elisabeth-Verein, der in Kempen Bedürftige unterstützte; ab 1923 war sie 25 Jahre dessen Vorsitzende. Seit 1920 war Herfeldt Mitglied des Kempener Ortswohlfahrtsausschusses, eines Gremiums, in dem Politiker und Vertreter der sozial tätigen Vereine saßen. Seit 1945 gehörte Josefine Herfeldt dem ersten Stadtrat der Nachkriegszeit an und wurde Mitbegründerin der Kempener CDU. Zur Versorgung der Bedürftigen in der Nachkriegszeit, vor allem der Flüchtlinge, richtete sie im Kolpinghaus eine Suppenküche ein. Für ihren sozialen Einsatz erhielt sie den päpstlichen Orden „Pro Ecclesia et Pontifice“.[3]
[4]
Lange Zeit war hier noch die Kohlenhandlung von Jakob Averbrock (1900-1959) und seinem Sohn Hans Averbrock (1934-2005)[5], die laut Adressbuch von 1959 auch mit Baustoffen handelte und eine Spedition betrieb. Auf dem geräumigen Betriebsgelände hinter dem Haus sind heute eine Tiefgarage und ein Parkplatz, so dass der Autor dieser Zeilen schon einmal gefragt wurde: "Wie, du parkst auf dem Hof von Averbrock?" Auf dem Grabstein auf dem Neuen Friedhof in Kempen steht auch noch der Name Katharina, geb. Klumpen, 1905-1990. Das war mit ziemlicher Sicherheit die Gattin von Jakob Averbrock.
Von der prachtvollen Fassade des Hauses ist nicht mehr viel übrig. Zu groß waren die Schäden im März 45. Im linken Teil ist eine Filiale der Commerzbank, im rechten Teil war lange eine Lebensmittel-Filiale von Kaiser's Kaffee. Heute sind dort zwei Bekleidungsgeschäfte untergebracht. Um die Verwaltung des Hauses kümmerte sich nach dem Tod seines Vaters Hans in nächster Generation Sohn Klaus, sicher gemeinsam mit seiner Mutter Irmgard, nachdem er zuvor viele Jahre in Wien lebte, wohin es ihn zum Jurastudium vertrieben hatte. Klaus, geb. am 28. Januar 1961, verstarb viel zu früh am 22. Juli 2021 im Alter von sechzig Jahren an einer Krebserkrankung.
Einträge in alten Adressbüchern
1898
- Herfeldt, Gertr., Rentnerin
- Herfeldt, Heinr., Ackerer, Colonialwhdl. u. Kaffeerösterei
- Herfeldt, Hugo, Regierungsbauführer a.D., Dirigent d. Gasanstalt
1912
- Herfeldt, Ferd., Kaffeerösterei, Verkauf v. Thee u. Chokolade, Inh. Herm. Herfeldt in St. Tönis u. Wimmar Billstein in Kempen
- Herfeldt, Gertr., Rentnerin
- Herfeldt, Heinr., Wwe., Rentnerin
- Herfeldt, Hugo, Reg.-Bauführer a.D. und 1. Beigeordnerter
- Niederrheinische Kaffeerösterei, Eduard Hoogen (Inh. Herm. Herfeldt in St. Tönis u. Wimmer Billstein in Kempen)
1925
- Herfeldt, Ferd., Dr., Regierungsreferendar
- Herfeldt, Gertr., o.G.
- Herfeldt, Herm., Kaufmann, Kaffeerösterei, Donkring 36
- Herfeldt, Hugo, Rentner
- Herfeldt, Josefine, Wwe.
1930/31
- Herfeldt, Josefine, Wwe.
1937
- Herfeldt, Ferd., Malz- u. Kornkaffeefabrik, Kaffeegroßrösterei
- Herfeldt, Gertrud, Rentnerin
- Herfeldt, Josefine, Rentnerin
- Herfeldt, Josefine, Wwe., Rentnerin
1959
- Averbrock, Jakob, Kohlenh. Spedition Baustoffe, F. 2155
Quellen:
- ↑ Tauf- und Sterbedaten siehe Aufsatz Die Kaufmannsfamilie Herfeldt
- ↑ 2,0 2,1 2,2 vgl. Hermes, Jakob, Das alte Kempen, 1982, vollständig zitiert unter "Die Kaufmannsfamilie Herfeldt".
- ↑ Kaiser, Hans, Wer gibt Kempens Straßen Namen?, in Rheinische Post, 14. Januar 2020
- ↑ siehe Totenzettel von Josefine Herfeldt
- ↑ Jahreszahlen vom Grabstein auf dem Neuen Friedhof in Kempen