Judenstraße 8
Haus Ercklentz
Das dreigeschossiges Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert, "Haus Ercklentz", ist durch die Zusammenfassung zweier kleiner, bescheidener Häuser entstanden und um 1800 überarbeitet worden. Ursprünglich war es das Wohnhaus des Bauherrn, Tuchkaufmann Gerhard Arnold Mühlen (1715-1778)[1], der für die Stadt Kempen durch die Mühlen'sche Stiftung von historischer Bedeutung ist. Die 1778 begründete gemeinnützige Stiftung, wird in Kempen "der ewige Pott" genannt und dient heute noch der Stadt und ihrer Kirche.[2]
Aus dieser Zeit dürfte auch die heutige Putzfassade stammen, ebenso wie die geschnitzte eichene Haustür, die, wie auch die Gestaltung im Inneren, Dekorelemente des Empire aufnimmt. Die Fassade ist in fünf Achsen gehalten. Die reich profilierten Fenstergewände sind möglicherweise Folge eines weiteren Umbaus in der Zeit um 1900.
"Nachbesitzer war Peter Anton Thissen, von 1808 bis 1811 Bürgermeister unter der französischen Verwaltung. Von seinen grundlegenden Umbauten zeugt heute noch der prachtvolle Empire-Stil des Erdgeschosses.
Noch im 19. Jahrhundert folgten weitere Änderungen - unter anderem wurde die Stuckfassade vorgesetzt. Aber bestehen blieb Mühlens Erbe: Die Gliederung in fünf Fensterachsen und die nach oben abnehmende Höhe der Fenster. Ähnlich gegliedert sind andere Häuser des 18. Jahrhunderts wie Judenstraße 5, Peterstraße 14 und 30."[2]
Der ehemalige Stadtarchivar Jakob Hermes schrieb über das Haus im Jahr 1983:
Die mehrfache Veränderung des Hauses ... läßt kaum noch Merkmale des Rokoko erkennen. Der nach Mühlens Tod eingetragene Besitzer Peter Anton Thissen, Maire von 1808 bis 1811, soll sogar einen Neubau anstelle des ursprünglichen Rokokohauses erstellt haben, der im Laufe des 19. Jahrhunderts wieder umgebaut worden ist. Die fünfachsige Front des ersten Hauses ist beibehalten worden. Das Gebäude verfügt neben einer schweren Haustür über eine wertvolle Innenausstattung.[3]
Im Adressbuch von 1879 erscheint der Name Ercklentz unter der Hausnummer 293 unter der Rubrik Colonial- und Specereiwaarenhandlungen. Und zwar mit dem Zusatz "Ferdinand Brücker, Nachfolger". Hier ist zunächst zu prüfen, ob die Hausnummer 293 zur heutigen Judenstraße 8 passt.
Heute wird das Erdgeschoss des Hauses als Gaststätte genutzt. Bis zum 19. April 2014 war in dem Haus die beliebte Gaststätte Bärlins. Inhaber war seit August 1999 Wolfgang Beeren, der zuvor über zehn Jahre unter demselben Namen seine Kneipe in der Ellenstraße 30 betrieb. Im Mai 2014 übernahmen Anja und Uwe Giesecke gemeinsam mit Sascha Terhorst und dessen damaliger Lebensgefährtin Patricia Schmidt das Lokal, jetzt unter dem schönen Namen "Das Ercklentz - Café, Restaurant, Kneipe". Giesecke betrieben zuvor 23 Jahre das Kemp'sche Huus auf der Neustraße. Kurze Zeit später machten Terhorst und Schmidt in dem traditionsreichen Haus an der Judenstraße 8 alleine weiter. Anfang Juli 2019 war dann aber "aus persönlichen Gründen" Schluss. So verkündete es ein Hinweiszettel am Eingang des Lokals.[4]
Seit dem 1. November 2019 ist das traditionsreiche Haus wieder unter neuer Leitung. Die Jung-Gastronomen Matthias Ebbinghaus und Mario Scarpelli wagten mit der Übernahme des Lokals den Schritt in die Selbstständigkeit.[5] Zuletzt wurde das Lokal aber wohl nur noch von Matthias Ebbinghaus geführt.
Im Mai 2024 widmete Hans Kaiser in der Rheinischen Post dem Haus einen ausführlichen Artikel.[6]
Die Judenstraße 8 ist in der Denkmalliste eingetragen.
Gerhard Arnold Mühlen (1715-1778)[1]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 siehe hierzu: Hermes, Jakob, Die "Ewige Stiftung" des Kempener Ratsbürgermeisters Gerhard Arnold Mühlen, in: Heimatbuch 1978 des Kreises Viersen, S. 68ff.
- ↑ 2,0 2,1 Kempen.de - Altstadtrundgang
- ↑ Hermes, Jakob, Bürgerhäuser im Stadtbild von Kempen - 2. Teil, in: Heimatbuch des Kreises Viersen, 1983, S. 166ff., hier S. 173
- ↑ Westdeutsche Zeitung, 3. Juli 2019, Kempener Altstadt: Restaurant „Ercklentz“ geschlossen
- ↑ Rheinische Post, 26.09.2019, Haus Ercklentz - :Neustart für historisches Gasthaus
- ↑
Edles Empire an der Judenstraße
Serie | Kempen · Heute ist im Haus Ercklentz an der Judenstraße in Kempen ein Lokal untergebracht, einst war es das prächtige Haus des Kaufmanns Gerhard Arnold Mühlen. Die Geschichte dahinter.
Nach einer Familie, die hier bereits 1898 eine Destillation und Weinhandlung betrieb, wird das Haus heute „Haus Ercklentz“ genannt.
Von Hans Kaiser
Haus Ercklentz, Judenstraße 8: ein Haus mit Historie. Sein Bauherr war der Kaufmann Gerhard Arnold Mühlen (1715-1778). In seiner Heimatstadt Kempen genoss er großes Ansehen. Gerhard Mühlen war reich; durch den Handel mit Tuchballen zum Schneidern vornehmer Gewänder hatte er ein hübsches Vermögen zusammengebracht. Er war sozial und auf das Gemeinwohl bedacht: In Kempen stand er der Kaufmannszunft vor und bekleidete viermal – jeweils ein Jahr – das Amt des Ratsbürgermeisters.
Er war tief religiös, sein Lebenswandel war lauter, sein Umgang mit den Mitmenschen diplomatisch. Aber Gerhard Mühlen musste schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Seine Frau und die vier Kinder starben früh. Der Kaufmann sah darin einen Hinweis Gottes, bei allem Erfolg nicht hochmütig zu werden. 1778, drei Monate vor seinem Tod, kehrte Mühlen sich ab von seiner bisherigen Maxime „Beliebtheit, Erfolg und Reichtum“. Er gründete eine Stiftung, in der Bevölkerung der „Ewige Pott“ genannt, mit der er sein Vermögen in den Dienst seiner Stadt und ihrer Kirche stellte – zur Unterstützung Bedürftiger.
Von dem Stiftungsvermögen ist mittlerweile nicht mehr viel übrig. An den großherzigen Kaufmann erinnert heute noch der Möhlenring, allerdings mit „ö“, obwohl Gerhard Arnold Mühlen seinen Namen mit „ü“ schrieb. Denn er stammte von der Neersdommer Mühle an der Grenze zwischen Kempen und Oedt.
Geblieben ist das prächtige Haus an der Judenstraße, das der reiche Tuchkaufmann sich auf dem Zenit seines Lebens erbaute. Nachbesitzer wurde Peter Anton Thissen, von 1808 bis 1811 Bürgermeister unter der französischen Verwaltung. Von seinen grundlegenden Umbauten zeugt heute noch der prachtvolle Empire-Stil des Erdgeschosses. Nach einer Familie, die hier bereits 1898 eine Destillation und Weinhandlung betrieb, wird es heute „Haus Ercklentz“ genannt. Im Rheinland ist es eines der wenigen erhaltenen Beispiele für ein Patrizierhaus des 18. Jahrhunderts.
Seit dem Dezember 1981 stand das Haus Ercklentz leer. Seine Fenster waren vernagelt. Der stolze Empire-Edelbau verfiel zusehends, schien dem Abriss geweiht. Dann ein Hoffnungsschimmer: Im September 1982 erwarb der Kempener Bauunternehmer Ralf Schmitz das Bürgerhaus von der Erbengemeinschaft Lüdde/Ercklentz, um es sorgsam zu sanieren. Mit solchen Projekten hatte der junge Unternehmer Erfahrung: 1977/78 hatte er schon die antiken Gebäude Moorenring 7 und 9 saniert, 1981/82 das Haus An Sankt Marien 13. 1979 hatte er durch einen Landschaftsmaler – gleich hinter der neuen Post – auf dem fensterlosen Brandgiebel des Hauses Thomasstraße 17 ein naturgetreues Abbild des 1967 abgebrochenen alten Mädchengymnasiums auftragen lassen, mit dem viele Kempener Erinnerungen verbanden.
Für das Haus Ercklentz plant Ralf Schmitz im Erdgeschoss eine gutbürgerliche Gaststätte, im ersten Stock eine Wirtewohnung und mehrere Gesellschaftszimmer. Zum Schutz vor Beschädigungen lagert er zunächst die wertvolle Haustür aus, verschalt die antike Treppe. In enger Abstimmung mit dem Landeskonservator Ulrich Stevens wird das wertvolle alte Holzwerk aufwändig restauriert: die Türen, Vertäfelungen und die wertvolle Treppe.
Aufwändig gestaltet sich vor allem die Erneuerung der Decken. Weil die vorhandenen Balken nicht mehr tragen, lässt der Architekt Heribert Möller eine Stahlträgerdecke einziehen. Wobei peinlich darauf geachtet wird, dass die wertvollen Stuckarbeiten an der Decke des Erdgeschosses keinen Schaden leiden. Die Gasträume werden farblich fein abgestimmt: in blassem Blauviolett, in Grün und Grau.
Liebe zum Detail auch bei der Innenausstattung: Interieur-Ausstatter Manfred Bäter achtet darauf, dass die verschiedenen Stilrichtungen am Gebäude bei den Möbeln wiederkehren. Ins Erdgeschoss kommen nun zwei große Klostertische aus dem Jahre 1850, oben im Gesellschaftszimmer findet sich eine achtsitzige Jugendstilgruppe. Auch die Farbgebung wird mit dem Landeskonservator abgestimmt.
Ein Jahr nach Sanierungsbeginn erstrahlt der alte Bau in neuem Glanz. Innovationen auch draußen: An der Hinterfront zur Orsaystraße soll 1984 ein Biergarten eingerichtet werden, vorne an der Judenstraße ein Straßencafé.
2. November 1983: Mit einem Schluck unter dem geretteten Decken-Stuck prosten Bauherr Ralf Schmitz und sein Architekt Heribert Möller dem Gastronomen-Ehepaar Uschi und Willi Quast zu, das nun die Bewirtschaftung übernimmt. Fast eine Million Mark hat die Aktion gekostet; damals eine imponierende Summe. Bis 2014 ist hier die Gaststätte Bärlins untergebracht. Heute heißt das Lokal „Das Ercklentz – Café, Restaurant, Kneipe“.
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